«Im Operationsteam darf es kein sprachliches Missverständnis geben»

Ungenügende Sprachkenntnisse bei Ärzten: Nicht so schlimm, denken manche. Doch die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) sorgt sich um die Kommunikation.

, 17. Juli 2019 um 04:27
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In der Schweiz reicht es, wenn Ärztinnen und Ärzte «die notwendigen Sprachkenntnisse für die Ausübung ihres Berufes» nachweisen. Überprüft wird dies von den Spitälern und kantonalen Gesundheitsdirektionen. Die FMH fände es wichtig, wenn die Sprachkompetenz von Ärztinnen und Ärzten, die in der Schweiz berufstätig sind, besser und einheitlich geprüft würde. Jürg Schlup, selber Arzt und Präsident der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), sagt im Interview mit Medinside, warum es so wichtig ist, dass Ärzte und Ärztinnen sprachlich gut kommunizieren können.


Seit Anfang letzten Jahres müssen alle universitären Medizinalpersonen, die ihren Beruf ausüben, im Medizinalberuferegister eingetragen sein. Dort eingetragen werden sie nur, wenn sie «über die notwendigen Sprachkenntnisse für die jeweilige Berufsausübung verfügen». Reichen solche Sprachkenntnisse nicht?
Wir hätten gerne eine Verbesserung der Sprachkompetenz. Es gibt in der Schweiz – im Gegensatz zum restlichen Europa - keine Sprachprüfung.
Wer entscheidet denn, ob ein Arzt die «notwendigen Sprachkenntnisse» hat?
In der Regel sind das die Gesundheitsdirektionen der Kantone und die Spitaldirektionen.
Und wie entscheiden diese Stellen, ob die Sprachkenntnisse genügen, wenn es keine Sprachprüfung gibt?
Die Sprachkompetenz kann in der Schweiz nachgewiesen werden durch Vorlegen eines anerkannten Sprachdiploms Niveau B2 oder einem Aus- bzw. Weiterbildungs-abschluss in der Sprache der Tätigkeitsregion oder mit einer dreijährigen Arbeitserfahrung als Arzt in der Sprache der Tätigkeitsregion.
In der EU sind die Hürden höher: Ärztinnen und Ärzte müssen die Landessprache beherrschen. Strebt die FMH eine solche Regelung an?
Nein, wir möchten nicht so streng sein wie die EU. Im zweisprachigen Südtirol müssen Ärzte und Ärztinnen zum Beispiel Deutsch und Italienisch beherrschen. Wir wollen nicht mehr als eine Sprache verlangen, auch nicht in zweisprachigen Regionen. Wir streben nicht die Sprachkompetenz der EU an, wo Ärzte und Ärztinnen auf Sprachniveau C1 geprüft werden. Uns schwebt eine einheitliche Sprachprüfung in der Schweiz für das Niveau B2 vor. Das ist das Niveau, welches in der Schweiz an der Matur verlangt wird.
Es ist zweifellos wichtig, dass Ärzte und Ärztinnen ihre Patienten verstehen. Aber gilt das auch für einen Pathologen oder für eine Anästhesistin?
Ja. Was nützt es einem Spital, wenn es einen Spitzenpathologen angestellt hat, der aber nur holländisch und englisch spricht? Das kann ein Top-Berufsmann sein, der sich aber in interprofessionellen Teams nicht verständigen kann.
Versteht denn nicht jeder Arzt und jede Ärztin genug englisch, damit die Verständigung trotzdem klappt?
Doch. Aber Ärzte arbeiten immer im Team. Und diese Teams bestehen nicht nur aus Ärzten. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein Gynäkologe ist im Operationssaal daran, einen Brusttumor zu entfernen. Gleichzeitig analysiert ein Pathologe das Gewebe und sollte dann seinen Befund noch während der Operation dem interprofessionellen Team mitteilen. Da darf es keine Missverständnisse geben. Aufgrund dieses Berichts muss das Team entscheiden, wie die laufende Operation weitergeführt wird. Die Narkose läuft, es muss schnell gehen. Da liegen sprachliche Verständigungsprobleme nicht drin. Auch die die Pflegefachpersonen und Operationstechniker müssen wissen, ob die Operation noch eine halbe Stunde länger geht und sie weitere Massnahmen treffen müssen. Medizin ist immer Teamarbeit und interprofessionelle Teamarbeit verlangt immer Kommunikation.
Wie steht es mit Kommunikation mit den Patienten? Die ist doch auch wichtig.
Natürlich. Jeder Arzt und jede Ärztin muss die Anliegen der Patienten verstehen. Deshalb ist es auch toll, wenn zum Beispiel ein Hausarzt, der viele türkische Patienten behandelt, exzellent türkisch spricht. Aber dieser Hausarzt muss in der Deutschschweiz auch gut Deutsch sprechen. Denn er muss mit seinen Mitarbeiterinnen und mit der Spitex kommunizieren, mit dem lokalen Betagtenheim und mit der zuweisenden Spitalärztin. Wie gesagt Medizin ist immer Teamarbeit. Und da Ärztinnen und Ärzte in mehrberuflichen Teams arbeiten müssen sie sprachlich kompetent kommunizieren können.
Sind Sie zuversichtlich, dass es künftig in der Schweiz einen Sprachtest für Ärztinnen und Ärzte geben wird?
Wir sind froh, hat der Ständerat kürzlich ernsthaft darüber diskutiert. Ob es eine Sprachprüfung geben wird oder nicht, wissen wir nicht. Unsere Forderungen sind – verglichen mit den Sprachanforderungen der EU – moderat. . Es wäre aber wichtig, dass die Schweiz ihre geltenden Anforderungen an die Sprachkompetenz von Ärztinnen und Ärzten verbessert. Denn es gibt Ärzte, die in einem EU-Land den geforderten Sprachtest nicht bestehen und dann in die Schweiz kommen, weil sie hier keine Sprachprüfung machen müssen.
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