Es gibt Leute, die sagen, Spitalzusatzversicherungen privat und vor allem halbprivat seien ein Auslaufmodell. Begründet wird das Todesurteil unter anderem mit dem Argument, dass der Mehrwert einer Spitalzusatzversicherung gegenüber der Grundversicherung kaum Vorteile bietet. Da ist zwar noch die freie Arztwahl, die wohl einen gewissen Mehrwert schafft. Doch insbesondere die Hotellerie bietet zumindest bei Halbprivatpatienten keinen Mehrwert mehr. Es gibt immer weniger Vierer- und Sechserzimmer. Wie Halbprivat- liegen auch Allgemeinversicherte meistens in Zweierzimmern.
Sergio Pradera ist Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Innova. Die These vom Auslaufmodell teilt er nicht: «Spitalzusatzversicherungen werden auch in Zukunft ihre Berechtigung haben», sagt er im Gespräch mit Medinside, «aber nicht zu den heutigen Preisen.»
Der Finma stört die mangelnde Transparenz
Für Pradera ist klar, dass die von der Finanzmarktaufsicht (Finma) definierten Governance-Vorgaben eine Reduktion der Preise der Spitäler für Halbprivat- und Privatpatienten zur Folge haben müssen. Die Finma verlangt unter anderem reine VVG-Mehrleistungsverträge. Zudem sollen missbräuchliche Spitaltarife verhindert werden.
Die Reduktion der Spitaltarife wird laut Pradera tiefere Versicherungsprämien zur Folge haben. Das sei nötig, damit die Spitalzusatzversicherungen auch in Zukunft verkauft werden könnten. Zudem sind die Krankenversicherer laut Vorgaben der Finma angehalten, mit Spitälern und Ärzten transparente Verträge auszuhandeln, bei denen klar hervorgeht, wie sich der Preis für Privat- und Halbprivatversicherte rechtfertigt.
Der Preisüberwacher erachtet Spitaltarife als missbräuchlich
Dies ist zwar nicht wirklich neu. Und immer wieder geraten Tarifstreitigkeiten zwischen Spitälern und Krankenkassen an die Öffentlichkeit. Noch immer werden aber von Spitälern Preise verlangt, die der Preisüberwacher Stefan Meierhans als missbräuchlich erachtet. Vorsichtig ausgedrückt sagt er es so: «Gemäss unseren Analysen sind die Zusatzversicherungstarife in der Schweiz vermutungsweise flächendeckend missbräuchlich überhöht, auch wenn wir dies zurzeit nicht beweisen können.» (mehr dazu lesen Sie
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Neu ist aber, dass Innova die Verträge mit 180 Spitälern gekündigt hat. Dies bestätigt Martin Horisberger, der für Innova die Tarifverhandlungen führt. Gleichzeitig hat der Zusatzversicherer aus Gümligen seinerseits den Spitälern einen Vertrag mit Preisen vorgelegt, die er zu zahlen bereit ist. Rund 20 Spitäler und Spitalgruppen hätten den Vertrag bisher unterzeichnet und zurückgeschickt.
Mittelfristig bis 20 Prozent tiefere Prämien
Aber was passiert, wenn ein Spital den Vertrag nicht unterschreibt? «Dann vergüten wir den gemäss Versicherungsvertrag zulässigen Maximaltarif», sagt Horisberger. Das ist jener Tarif, der von der Krankenkasse einseitig festgelegt wird. Alternativ könne Innova den Kunden Anreize unterbreiten, sich in einem Spital mit Vertrag und somit voller Kostendeckung oder sich auf der Allgemeinen Abteilung behandeln zu lassen. «Dank der neuen Verträge wird Innova mittelfristig in der Lage sein, die Prämien ihrer Spitalversicherungen um bis zu 20 Prozent zu senken», erklärt Pradera.
In der Branche ist Innova bekannt für ihre harte Haltung. Ihre bescheidene Grösse scheint hier ein Vorteil zu sein. Denn mit rund 50'000 Zusatzversicherten gehört Innova zu den kleinen Fischen. Spitäler haben keine Lust, wegen einer überschaubaren Zahl von Patienten einen Streit vom Zaun zu reissen, der allenfalls noch für negative Schlagzeilen sorgt.
Martin Horisberger sieht die Dinge anders. «Ich habe die Kantonsspitäler in Zug und Chur davon überzeugen können, dass wir im Rahmen unserer Strategie und mit unserem Tarifsystem, welches angemessene Entschädigungen vorsieht, mit den anderen Spitälern genau gleich verfahren werden», erklärt er. Denn die Spitäler wollen keine tieferen Preise akzeptieren, wenn die Konkurrenz nebenan für die gleiche Leistung einen besseren Preis bekommt.
Die Klinik Seeschau am Pranger
«Es kann doch nicht sein», so Horisberger, «dass vergleichbare Spitäler höchst unterschiedliche Preise verlangten.» Besonders krass sei das Beispiel der Klinik Seeschau am Bodensee. Sie verlangt einfach mal 4000 Franken, damit der Patient überhaupt aufgenommen wird. Zig tausend Franken kommen dann für diverse Pflege- und Komfortleistungen noch dazu. Wohlverstanden: Die Rede ist hier nur von der Spitalkostenzusatzversicherung. Für die Leistungen der Grundversicherung wird das Spital zusätzlich Rechnung stellen.
Innova hat darauf den Preisüberwacher auf diesen Fall aufmerksam gemacht. In seiner Antwort erklärt Stefan Meierhans, dass Einzelfallprüfungen sich als «enorm ressourcen- und zeitaufwändig» erwiesen und bei den betroffenen Spitälern auf grossen Widerstand stiessen. Der Preisüberwacher habe deshalb entschieden, vorläufig keine Einzelfallprüfungen der VVG-Spitaltarife vorzunehmen.
Innova bietet nur Zusatzversicherungen an
Innova ist immer für eine Überraschung gut. Für die vielleicht grösste Überraschung in seiner Geschichte sorgte der Nischenplayer vor acht Jahren, als er im Juni 2012 verkündete, das Geschäft der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) der Konkurrentin Visana abzutreten.
«Wir sahen für das Geschäft mit den Grundversicherten keine Perspektiven», hiess es damals in Gümligen, zumal die Kunden zunehmend bereit seien, Grund- und Zusatzversicherung bei zwei Anbietern abzuschliessen. Man verhehlte nicht, dass dieser unternehmerische Entscheid auch im Hinblick auf eine mögliche Einführung einer Einheitskrankenkasse gefällt wurde. Der Handlungsspielraum bei der Grundversicherung werde immer kleiner, hiess es damals.
Nun, eine Einheitskrankenkasse war bisher im Volk noch nicht mehrheitsfähig. Doch Innova hat seither bewiesen, dass man als Zusatzversicherer auch ohne Grundversicherte leben kann. 2010 zählte der Krankenversicherer 15'000 Spitalkostenzusatzversicherungen halbprivat und privat. Heute sind es 50'000.