Herr Warncke, findet Medseek genügend Ärzte, um sie interessierten Spitälern zu vermitteln? Nein, das ist in der Tat ein Problem. Insbesondere weil wir Leute suchen, die ein bestimmtes Profil erfüllen müssen. Wir sind keine Temporärfirma im eigentlichen Sinne, sondern wir möchten Ärzte vermitteln, die aus der Region kommen und später in der Region weiterarbeiten. Jeder Medseek-Arzt soll dann auch seine Kontakte einbringen und selber neue Leute an Bord holen können. Denn wir können unsere Leute kaum über Stellenanzeigen finden – so etwas geht nur über das Netzwerk.
Es geht also nicht einfach darum, etwa einem Spital im Bernbiet bei einem Engpass notfalls auch mit einem Arzt aus St. Gallen zu helfen.
Das machen wir eher ungern. Der Vorteil ist für das Spital am grössten, wenn der Arzt auch die Region und die entscheidenden Leute dort kennt. Ich habe lange in Bern gearbeitet, und wenn ich jetzt beispielsweise in einem Spital in Biel einen Einsatz leiste, kenne ich noch viele Kollegen aus der damaligen Zeit. So etwas hilft extrem, um auch kurzfristig zu funktionieren. Aber uns geht es nicht so sehr um kurzfristige Einsätze: Wir wollen aushelfen – aber langfristig. Denn auch die Personalprobleme sind in vielen Spitälern langfristig.
Cornelius Warncke
Dr. Cornelius Warncke ist Gründer und Geschäftsführer der Medseek GmbH in Solothurn. Das Unternehmen, gegründet 2014, hat sich auf die Vermittlung von Ärzten für Spitäler spezialisiert.
— Warncke studierte Medizin in Zürich und hat die FMH-Titel für Allgemeine Innere Medizin und für Intensivmedizin. Vor der Lancierung von Medseek arbeitete er unter anderem für das Inselspital, das Freiburger Spital oder das Spital Männedorf.
Ihnen genügt also eine relativ kleine Gruppe an Ärzten, die ihrerseits in einer relativ begrenzten Zahl von Spitälern auftreten – und das über die Jahre verteilt.
Oder auch öfter. Wir haben viele Spitäler, wo wir monatlich eine feste Anzahl Tage besetzen. Unser Ziel ist es, dass wir auf den Dienstplan kommen. Das hat für beide Seiten Vorteile. Unsere Ärzte können mit einer gewissen Regelmässigkeit an drei oder vier Spitälern arbeiten – und die Spitäler bekommen Ärzte, die quasi Teil ihres Stammteams sind.
Sie konzentrieren sich also auch auf gewisse Regionen.
Derzeit ist das so. Wir sind vor allem in Bern und im Raum Solothurn bis Aarau tätig. Wir waren aber auch schon in Zürich und in der Westschweiz aktiv.
Welche Ärzte wollen bei Ihnen arbeiten?
Bislang sind es allesamt Leute, die schon als Oberarzt in einer grossen Klinik gearbeitet haben. Und die sich nun den Raum schaffen wollen für den Entscheid, wie es weitergehen soll. Beispielsweise machen sie eine Zusatzausbildung wie ein MBA; oder sie planen, dereinst in die Praxis zu gehen, aber sie wollen zuerst noch an diversen Kliniken Erfahrungen sammeln. Eine wichtige Gruppe sind natürlich auch Frauen mit Kindern. Sie würden vielleicht sonst gar nicht arbeiten – bei uns aber können sie entscheiden, wie viel und wie oft sie das möchten.
Dafür gibt es aber inzwischen auch allerhand Angebote, etwa in Ärztenetzwerken und Gruppenpraxen.
Das ist so. Aber es ist immer noch schwierig, in Spitälern so zu arbeiten. Dort fehlt es weiterhin an Teilzeit-Möglichkeiten. Eines unserer Ziele ist es, gerade hier Leute zu reaktivieren. Der Personalmarkt ist auch für uns sehr leer, auch wir können nicht einfach neue Mediziner hinzaubern. Wenn wir es aber schaffen, dass die Ärztinnen mit Kindern – und inzwischen oft ja auch die Väter – stärker reaktiviert werden, ist das für alle Seiten sinnvoll.
Bekanntlich beansprucht die Bürokratie etwa einen Drittel der Zeit eines Spitalarztes. Wenn man via Medseek in einer Klinik arbeitet, ist man davon weitgehend entlastet. Ist das ebenfalls ein Grund, sich bei Ihnen zu melden?
Ja. Das war mein Beweggrund, selber so zu arbeiten. Ich war sehr glücklich mit meiner klinischen Arbeit, aber je weiter man kommt, desto weniger ist man direkt bei den Patienten. Heute gehe ich in ein Spital, mache meine Arbeit am Patienten und gehe dann wieder raus. Ich muss mich auch weniger um die internen Strukturen eines Hauses scheren: Das ist noch ein Vorteil.
Gibt es nicht auch böses Blut deswegen?
Das hatte ich ursprünglich auch erwartet, doch im Gegenteil: Das Feedback war und ist immer positiv. Die Kollegen sind froh, wenn jemand sie entlastet, was ihnen eben auch Freiraum verschafft, um administrative Pflichten abzuarbeiten. Zudem sind wir keine Konkurrenten. Dabei dürfte es auch hilfreich sein, dass wir meistens viele Kollegen im Spital bereits kennen. Dadurch wird man auch schneller als Teil des Teams wahrgenommen.
Wie kurzfristig kann ein Medseek-Arzt aufgeboten werden? Dienen Sie auch als klassische Lückenfüller?
Das ist schwieriger. Es kommt vor, dass jemand für übermorgen benötigt wird, aber wäre Zufall, wenn es klappt. Wir sind mit 12 bis 15 Leuten doch noch recht klein, so dass wir auch keine Springer haben, die stetig «on call» sind. Üblicherweise sind wir auf zwei bis drei Monate ausgeplant.
Kann Medseek dereinst auch in der Grundversorgung aushelfen?
Das tun wir bereits. Anfang Jahr unterstützten wir erstmals eine Gruppenpraxis. Und wir arbeiten inzwischen auch regelmässig mit einem grossen Ärztenetzwerk in der Grundversorgung. In unserem Team haben wir auch Hausärzte, die sofort dafür einsatzfähig sind.
Und was ist mit Spezialisten? Derzeit vermitteln sie Internisten, Anästhesisten und Intensivmediziner.
Wenn jemand dazu stösst, der eine neue Fachrichtung mitbringt, dann schauen wir, ob wir dort auch expandieren können. Derzeit arbeitet auch ein Onkologe für uns. Aber es macht keinen Sinn, flächendeckend alles abdecken zu wollen.
Aber stetiges Wachstum ist ein Ziel von Medseek?
Ja, klar. Wir müssen wachsen. Sonst kommen Nachahmer, die das Geschäft mit mehr Ressourcen betreiben und und am Ende wieder ganz verdrängen. Wir möchten dereinst alles, was wir derzeit noch eher lokal anbieten, auf die ganze Schweiz erweitern
«Heute gehe ich in ein Spital, mache meine Arbeit am Patienten und gehe dann wieder raus. Ich muss mich auch weniger um die internen Strukturen eines Hauses scheren»
Droht damit den Spitälern hier dasselbe, was sie bereits in der Pflege spüren? Nämlich dass das Personal kündigt und sich via Temporärfirmen wieder neu anstellen lässt, zu besseren Bedingungen?
Diese Gefahr besteht theoretisch. Es gibt bereits eine Spitalgruppe, wo die Leute eine Wartefrist von zwei Jahren einhalten müssen, bevor sie über uns wieder zurückkehren können. Ich verstehe das. Es kann nicht sein, dass Leute von gleicher Qualifikation zu besseren Konditionen via Medseek in einem Spital arbeiten. Unsere Zusammenarbeit mit den Spitälern ist aber sehr eng und wir würden solchen Tendenzen keinen Raum bieten. Wir werben auch nie Personal aktiv ab.
Was verlangen Sie – abgesehen vom Fachlichen – von Ihren Ärzten? Wann würden Sie jemanden auch ablehnen?
Man muss einige Jahre als Oberarzt in einem grossen Spital gearbeitet haben. Man muss darüber hinaus offen sein; man muss damit leben können, dass man exponiert ist; man muss sich rasch in ein Team einfügen können. Es braucht eine gewisse Dienstleistungs-Mentalität, auch eine unternehmerische Einstellung. Wir haben den Vorteil, dass bislang mindestens einer im Team jeden Kandidaten bereits kannte: Das half bei den Beurteilungen.