Sarah Müller, Director Commercial & Strategy J&J Medical Devices Switzerland und Roman Iselin, Country Lead J&J Medical Devices erklären im Interview, was für sie VBHC auszeichnet.
Sarah Müller
Director Commercial & Strategy J&J Medical Devices SwitzerlandRoman Iselin
Country Lead J&J Medical Devices
Es entstehen laufend neue Konzepte zur Verbesserung des Gesundheitswesens. Weshalb sind Sie gerade vom «Value Based Health Care Ansatz» so überzeugt?
Roman Iselin: Wir beschäftigen uns stetig mit der Frage, wie wir unser Gesundheitssystem im Sinne des Patienten verbessern und gleichzeitig finanzierbar bleiben können. Das Konzept Value Based Health Care hat uns besonders überzeugt, weil es im Wesentlichen sagt: der Erfolg einer Behandlung darf nicht nur am Effekt isolierter Prozeduren oder allgemeinen Outcomes gemessen werden. Stattdessen sollte eine Beurteilung in erster Linie anhand des Nutzens für den einzelnen Patienten über den gesamten Behandlungspfad erfolgen. Gleichzeitig muss dieses Ziel finanzierbar bleiben. Dieser Ansatz ist deshalb interessant und allgemeingültig, weil es den Patienten ins Zentrum stellt und hilft, das Gesundheitswesen nachhaltig zu verbessern. Es stellt einen gemeinsamen Fokus der Akteure sicher, fördert nachhaltige Innovation und schafft Vertrauen. Kurzfristige, rein monetär getriebene Aktionen und Entscheide werden somit verhindert.
Entwickelt wurde das Konzept vom amerikanischen Ökonomen Michael E. Porter. Er untersuchte die ökonomischen Prozesse des amerikanischen Gesundheitssystems, analysierte dessen Schwächen und entwickelte daraus Value Based Health Care. Kann dieser Ansatz denn so einfach auf das Schweizer Gesundheitswesen übertragen werden?
Roman Iselin: Die Prinzipien von Value Based Healthcare können grundsätzlich auf alle Gesundheitswesen übertragen werden und sind allgemeingültig. Wir sehen, dass in diesem Bereich die Schweiz durchaus eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Die Schweizer haben sich schon immer stark für Qualität eingesetzt, was die Innovationskraft mitantreibt. Weiter sehen wir in der Schweiz eine gute Vernetzung der verschiedenen Akteure und auch eine allgemeine Bereitschaft, gemeinsam Lösungen auszuarbeiten. Gleichzeitig spielen auch die Patienten eine wichtige Rolle – die freie Entscheidungsmöglichkeit und die Bereitschaft, sich über Qualitätsstandards zu informieren, sind hier zentrale Faktoren, die für eine Transformation zu einem wertbasierten System in der Schweiz sprechen.
Stichwort Selbstverantwortung - Wie hat sich die Rolle des Patienten in den vergangenen Jahren verändert?
Sarah Müller: Die Patienten werden bei Werte-basierter Gesundheitsversorgung viel aktiver in die Behandlung involviert, ihnen wird mehr Verantwortung und Mitbestimmmrecht am Gesundungsprozess übertragen. Zum Beispiel wurde ein Programm zur Optimierung von Patientenpfaden bereits in zahlreichen Kliniken in der Schweiz umgesetzt. Dadurch konnte u.a. bei Hüft- und Knieoperationen eine raschere Genesung und Mobilisierung der Patienten erzielt werden.
Wie wird das konkret ermöglicht?
Sarah Müller: Ein multidisziplinäres Team begleitet den Patienten über den gesamten Patientenpfad und involviert ihn in die einzelnen Behandlungsschritte. Dies ermöglicht höhere Patientenzufriedenheit und gleichzeitig eine signifikante Kostenreduktion. Ein massgeschneidertes Bewegungsprogramm – oftmals auch in Gruppen zur grösseren Motivation – ist so aufgesetzt, dass es Patienten vor und nach der Operation fitter macht.
Die Umsetzung solch transformierender Ansätze ist anspruchsvoll und erfordert erhebliche Veränderungsbereitschaft, sowohl beim Patienten als auch beim medizinischen Personal. Wie kann das gelingen?
Sarah Müller: Einerseits durch Change Management: Hierbei wird die aktive Beteiligung aller Stakeholder über den ganzen Veränderungsprozess inkl. der Implementierung gefordert.
Andererseits spielen Erfahrungswerte und Evidenz von bereits erfolgreich durchgeführten Projekten eine zentrale Rolle. Diese steigern die Motivation und das Vertrauen, was wiederum hilft, den Veränderungsprozess anzutreiben. Weiter ist der Austausch mit Referenzzentren auf internationaler und nationaler Ebene ein Erfolgstreiber.
Welchen Beitrag kann hier die Digitalisierung leisten?
Roman Iselin: Die Digitalisierung leistet einen wertvollen Teil zur wertbasierten Gesundheitsversorgung und macht sie skalierbar. Das heisst, dank der Digitalisierung können Resultate systematischer gemessen und verglichen werden und somit auch Verbesserungen und Best Practices rascher und einfacher identifiziert werden. Ausserdem erleichtert es die Kommunikation zwischen verschiedenen Institutionen und macht sogenannte Integrierte Systeme oft erst möglich. Die Digitalisierung selbst bringt aber keine direkte Verbesserungen. Wichtig ist, dass Prozesse und Prozessschritte zuerst optimiert und standardisiert werden, bevor über die Digitalisierung gesprochen werden kann.
Was ist der konkrete Beitrag von Johnson&Johnson zur Umsetzung von Value Based Health Care?
Sarah Müller: Unser Ansatz ist es, diese Prinzipien auf Projektbasis in enger Kollaboration mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen umzusetzen. Die Projekte reichen von Patientenpfadoptimierungen, Technologieinnovationen bis zu integrierten digitalen Plattformen. Alle Lösungsansätze müssen einen positiven Effekt im Sinne des Patienten für das Gesamtergebnis haben, immer unter der Bedingung von gleichbleibenden oder tieferen Kosten.
Durch unsere Fachkenntnisse in einer breiten Palette klinischer Bereichen, unserem nationalem und internationalen Netzwerk mit Refenzkliniken und unserer Ausrichtiung auf Qualität und Service sind wir ein Partner, der den Veränderungsprozess zusätzlich zu den Lösungen effektiv untertützen kann und die Teams vor, nach und während der Transformation begleitet.
Welches Einsparpotential kann durch Value Based Health Care konkret erreicht werden?
Sarah Müller: Der Umfang der Einsparung ist abhängig von der Art des Projekts und des Bereiches, wo Veränderungen angesetzt werden und schlussendlich wie konsequent die Prinzipien durchgesetzt werden. Wichtig ist, dass der Nutzen immer messbar ist und quantifizierbar. In konkreten Projekten, die von uns umgsetzt wurden, konnten bis 15-20 Prozent der Kosten pro Behandlung reduziert werden.
So sieht Johnson&Johnson das Schweizer Gesundheitswesen in 10 Jahren:
- Allgemein wird das Gesundheitswesen vermehrt in integrierten Systemen organisiert sein. Der Digitalisierungsrad wird um ein Vielfaches höher sein, d.h. es werden Entscheidungen vermehrt aufgrund von Daten gemacht und die Pozesse können effzienter organisiert werden. Der Fokus wird viel mehr auf der Behandlungsqualität und dem -ergebnis liegen.
- Im Spital werden Prozesse optimal aufeinander abgestimmt sein und Abläufe laufend aktualisiert und individuell auf den Patienten zugeschnitten. Technologische Instrumente wie Navigation, Robotik und OP-Planer sind über eine Plattform integriert. Patienteninformationen (inkl. klinische Ergebnisse), angewendete Protokolle und wichtige KPI’s, welche u.a. das Vergütungsniveau definieren, werden sicher verschlüsselt digital registriert.
- Durch die erhöhte digitale Interaktion zwischen Patienten und klinischen Akteuren, wird zum Zeitpunkt, wo Patienten eine Gesundheitsinstitution betreten, der Wissens- und Vorbereitungsgrad beider Seiten viel höher sein als heute. Eine Grosszahl der Prozesseschritte einer Gesundheitsbehandlung werden dem Spital vor oder nachgelagert. Diagnosen und Behandlungen werden früher vorgenommen, Behandlungspfade werden kostengünstiger, individualisierter und effektiver.