Globale Investoren kaufen Alters- und Pflegeheime sowie Arztpraxen auf, setzen den Rotstift an und verkaufen sie mit Gewinn weiter. Die Zeche zahlen der Staat und diejenigen, die sich diese Preise nicht leisten können.
Die beiden Ketten: Tertianum und Senevita
Auch in der Schweiz gibt es zwei grosse Pflegeheimketten: Tertianum hat rund 90 Standorte. Die Kette wird von der Zuger Beteiligungsgesellschaft Capvis geführt, steht aber nicht im Zentrum der Kritik.
Anders Senevita: Dieses Unternehmen hat nur etwa halb so viele Standorte in der Schweiz und gehört seit 2014 zur französischen Orpea-Gruppe, die nach eigenen Angaben weltweit rund 100 Pflegeheime betreibt. Vor allem Orpea wird scharf kritisiert für ihr Profitdenken.
«Eher auf tiefem Niveau»
Die Gewerkschaft Unia klagte vor einiger Zeit darüber, dass bei Senevita «die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu anderen Heimen eher auf tiefem Niveau» seien und man mit knapperem Personalbestand arbeite. Unter dem Zeitdruck würden vor allem demenzkranke Heimbewohner benachteiligt, «da sie ja ohnehin alles wieder vergessen.»
«Zufriedenheit vom Team abhängig»
Zu den Arbeitsbedingungen sagt Senevita gegenüber Medinside: «Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden in der Pflege hängt sehr stark von gut aufeinander abgestimmten Teams ab.» Konkret biete das Unternehmen den Angestellten eine Jahresarbeitszeit mit mindestens fünf Wochen Ferien.
Es gebe Ruheräume oder Ruhebereiche für Mitarbeitende. Ausserdem sei bei der Senevita die Umkleidezeit Arbeitszeit. Senevita sei daran, neue digitale Lösungen einzuführen, mit welchen «noch bessere Dienstpläne» erstellt werden können.
Halber Preis für SBB und Essen
Seit Herbst 2021 gebe es für Angestellte zusätzliche Vorteile für Mitarbeitende. Für alle, die mehr als ein Halbzeitpensum haben, gibt es ein SBB-Halbtax-Abo. Für das Mittagessen in den hauseigenen Restaurants zahlen Angestellte nur den halben Preis, Lernende nur vier Franken. Rund um die Uhr bietet Senevita gratis Früchte, Brot und Getränke.
Kann das rentieren?
Vor gut drei Jahren gab es
Spekulationen darüber, ob Senevita überhaupt rentieren könne und ob das Unternehmen den Aktionären der Muttergesellschaft Oprea womöglich zu wenig abliefere. Der damalige Chef Christoph Gassner trat nach wenigen Monaten zurück. Seither hat Senevita keinen eigenen Chef mehr, sondern wird von Österreich aus geführt.
Ein Zehn-Milliarden-Markt in der Schweiz
Die Fakten in der Schweiz: Derzeit leben rund 100’000 Personen in 1533 Pflegeinstitutionen. Die Kosten dafür belaufen sich jährlich auf 10,7 Milliarden Franken. Das sind gut 10’000 Franken pro Monat, wovon knapp die Hälfte auf die medizinische Betreuung entfällt. Quelle: Curaviva
Auch Schweiz ist für Heim-Investoren attraktiv
Stark überteuerte Pflegeheime für Reiche, wie es sie in anderen Ländern gibt, sind auch in der Schweiz möglich. Allerdings stehen hier auch private Anbieter unter kantonaler Aufsicht und müssen sich bei den Kosten und beim Personalschlüssel an enge Vorschriften halten.
Für die mehr als 50 Prozent der Heimbewohner, die Ergänzungsleistungen beziehen, gelten strikte Preisobergrenzen. Handkehrum sind die Anbieter bei den übrigen Kunden, den Selbstzahlern, frei, Zuschläge für Dienstleistungen oder komfortablere Zimmer zu verlangen.
Gegen Investoren, die den Pflegeheimmarkt als lukrative Gewinnchance nutzen, sieht der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel nur eine Lösung: «Den Zugang der Finanzinvestoren in die Bereiche Gesundheit und Pflege möglichst einschränken.»