Der Stiftungsrat der Stiftung Gesundheit Oberengadin (SGO) beantragt bei den Trägergemeinden einen Nachtragskredit in Höhe von fünf Millionen Franken. So gross war auch der Verlust, den die Organisation um das Spital Oberengadin im letzten Jahr erlitt.
Erklärt wird die Notlage mit der bekannten Schere zwischen steigenden Kosten und starren Tarifen. «Hinzu kamen wegfallende Covid-Sondereffekte, die fortschreitende Ambulantisierung, geringere Abgeltungen gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch den Kanton sowie Abschreibungen und hohe Zinskosten im Zusammenhang mit der kürzlich abgeschlossenen Gesamtsanierung des Spitals», so die Mitteilung des Stiftungsrates.
Im Oberengadin zeigt sich sehr konkret, wie schwierig der Spagat ist zwischen erstens der Tarifrealität, zweitens der Kostenrealität und drittens dem Bedürfnis einer umfassenden Versorgung in eher abgelegenen Gebieten.
Teil der Tourismusregion
Das Regionalspital in Samedan bietet Grund- und Notfallversorgung und muss die entsprechenden Vorhalteleistungen für ein Notfallzentrum, eine Geburts- und Kinderklinik und eine Intensivpflegestation erbringen.
Obendrein ist es saisonalen Schwankungen ausgesetzt: Die Zahl potenzieller Patienten schwankt je nach Ferienlage zwischen 20'000 und mehr als 100'000.
«Das Leistungsangebot des Spitals stellt einen integralen Bestandteil der Infrastruktur dar, wie sie für unsere Tourismusregion wünschenswert – wenn nicht sogar überlebenswichtig – ist, denn die topographisch abgeschiedene Lage des Engadins bedeutet weite Transportwege bis ins nächste Zentrumsspital, und diese sind wetterbedingt nicht immer gesichert»: So argumentiert Gian A. Melcher, der Verwaltungsrats-Präsident der SGO.
All dies könne aber im «aktuellen wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Umfeld» nicht nachhaltig finanziert werden.
Dabei machen die Spitalmanager wenig Hoffnung auf eine baldige Erholung: Der finanzielle Ausblick bleibe «düster». «Die strukturellen Herausforderungen dürften auch in den kommenden Jahren bestehen bleiben.»
Bereits im Januar hatte Melcher angekündigt, dass er auch für 2024 mit einem Defizit rechne.
«Ernsthaft gefährdet»
Inzwischen wurde also bei den elf Trägergemeinden beantragt, 5 Millionen Franken nachzuschiessen. «Diese Zwischenfinanzierung ist notwendig, um den Betrieb zu sichern», sagt Stiftungsratspräsident Christian Brantschen.
Die SGO sei im Rahmen der Kreditfinanzierung durch die Geldgeber zu einem Eigenfinanzierungsgrad von mindestens 50 Prozent verpflichtet. Diesen Wert erreicht sie nur durch zusätzliche Mittel von den Trägergemeinden. Ansonsten könnten Kredite nicht mehr bedient werden: «Die Liquidität würde zum Problem und die Fortführung der Unternehmenstätigkeit des Spitals Oberengadin wäre ernsthaft gefährdet.»
Der Entscheid in den einzelnen Gemeindeorganen sei bis im Juni nötig.
Zugleich will die SGO auch die längerfristige strategische Ausrichtung des Spitals überprüfen. Dazu hat der Stiftungsrat bereits einen Lenkungsausschuss eingesetzt, der das Angebot analysiert und Möglichkeiten der Kooperation mit anderen Spitälern prüft.
«Das Oberengadin kommt zudem nicht um die Frage herum, wie die wohnortsnahe Gesundheitsversorgung in Zukunft aussehen soll – und wie viel man sie sich kosten lassen will», sagt Stiftungsratspräsident Brantschen.