Ein als «Gen-Wüste» bezeichneter Abschnitt des Erbguts spielt offenbar eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Embryos und des Herzens bei Mäusen und Menschen. Das hat ein internationales Forschungsteam herausgefunden.
Geleitet wurde das Team Marco Osterwalder vom Departement für Biomedizinische Forschung (DBMR) der Universität Bern und Universitätsklinik für Kardiologie am Inselspital.
Ihre
Studie zeigt, dass genfreie DNA-Abschnitte, auch als «Gen-Wüsten» oder als «Junk-DNA» bezeichnet, eine entscheidende Rolle bei der Steuerung der Gene und der Entwicklung spielen.
Am Mausmodell untersuchten die Forschenden, welche Rolle die an das Shox2-Gen angrenzende Genwüste spielt. Das Shox2-Gen ist zentral für die Entwicklung der Gliedmassen und der Herzfunktion, sowohl beim Menschen als auch bei Mäusen.
Schwere Herzprobleme
Frühere Untersuchungen bei Mäusen hatten gezeigt, dass es zu schweren Herzproblemen (Arrhythmien) und sogar zum Tod des Embryos kommen kann, wenn Shox2 nicht richtig funktioniert.
Mutationen in der menschlichen Variante dieses Gens wurden ebenfalls mit Arrhythmien in Verbindung gebracht. Es war auch bekannt, dass die Gen-Wüste rund um Shox2 bei Menschen und Mäusen sehr ähnlich ist. Wie die Aktivität des Gens im Embryo aber genau gesteuert wird, war bisher unklar. Frühere Studien haben zudem auch gezeigt, dass nicht alle Gen-Wüsten, trotz ihrer teilweise immensen Ausdehnung, wichtig für die Embryonalentwicklung sind.
So steuern Enhancer das Gen
Die aktuelle Studie zeigt, dass der vermeintlich weitgehend «leere» DNA-Abschnitt neben dem entwicklungsbiologisch wichtigen Shox2-Gen insgesamt 15 Steuerelemente, sogenannte Enhancer, enthält. Diese Enhancer steuern, wie, wann und wo das Gen während der Embryonalentwicklung aktiv ist.
«In unserer Studie konnten wir zeigen, dass ein bestimmter Enhancer in der Gen-Wüste die Aktivität des Shox2-Gens in den Zellen des sich entwickelnden Herzens bei Mäusen mitreguliert. Dies ist besonders wichtig, weil Shox2 eine Schlüsselrolle bei der Bildung des Sinusknotens spielt. Dieser gilt als natürlicher Herzschrittmacher, indem er elektrische Impulse erzeugt, die den Herzschlag kontrollieren», erklärt Marco Osterwalder, Co-Letztautor der Studie, gemäss einer Mitteilung.
Potenzial für die genetische Diagnostik
Die Forschungsgebiete der funktionellen Genomik und der Erforschung von Krankheiten, die durch defekte Enhancer entstehen, sind noch relativ neu und stehen im Zentrum moderner Forschungsansätze der Präzisionsmedizin. An der Medizinischen Fakultät der Universität Bern werden diese Schwerpunkte derzeit auch im Rahmen von «PACE», einem Projekt des Berner Zentrums für Präzisionsmedizin (BCPM), verfolgt.
Laut den Forschenden sind die Resultate besonders relevant für die Kartierung des menschlichen Genoms und könnten insbesondere in der modernen personalisierten Medizin für die genetische Diagnostik von grosser Bedeutung sein. Beispielsweise könnten genetische Tests, die Mutationen in solchen Gen-Wüsten finden, dazu beitragen, das Risiko für bestimmte Geburtsfehler oder Herzkrankheiten wie beispielsweise Arrhythmien frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu behandeln.
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