Huldrych Günthard ist kein Professor, der im stillen Kämmerlein forscht. Er gibt seine Erkenntnisse gerne weiter. Und besonders während Covid war er deshalb eine gefragte Auskunftsperson. «Seine Verflechtungen mit Sponsoren kommen kaum je zur Sprache», gibt jedoch das Online-Magazin «Infosperber» in einem
Artikel über Günthard zu bedenken. Er habe beim «Hypen» von Medikamenten mitgeholfen.
USZ machte Studie mit Remdesivir
Aufgezählt werden Günthards Aussagen über die Medikamente Molnupiravir und Remdesivir. Über beide äusserte sich der Infektiologe während der Pandemie in den Medien. Die Zwischenanalyse von Studiendaten zu Molnupiravir fand er «sehr spannend», Remdesivir nannte er «kein Supermedikament, aber immerhin eines, das Wirkung zeigt».
Dass Günthard solche Auskünfte gab, war nicht verwunderlich: Am USZ war Remdesivir bei Covid-19-Behandlungen das meistgebrauchte Medikament und wurde im Rahmen einer Studie eingesetzt.
Die Sponsoren Merck und Gilead
Danach gab es aber zwei Probleme. Das erste: Remdesivir erwies sich als wenig wirksam und schnitt in anderen Studien schlecht ab. Und das zweite: Die Hersteller der beiden Medikamente, die der Professor in den Medien erwähnte, sind Merck und Gilead. Diese beiden Firmen gehören zu den Sponsoren von Günthards Forschung.
Diese Hintergrund-Informationen erwähnten die Medien nicht. Und das wird von der ärztlichen Anti-Korruptions-Initiative
«Mezis – Mein Essen zahl ich selbst» kritisiert. Die Organisation spricht von einem «giftigen Interessenkonflikt-Potenzial», das «dramatisch unterschätzt» werde.
«Sehr vorsichtig»
Ist Huldrych Günthard also ein willfähriger Gehilfe der Pharmabranche? Wohl kaum. Im Corona-Sommer 2020, als wieder einmal ein neuer Wirkstoff den Durchbruch bei der Behandlung bringen sollte, sagte er
gegenüber Medinside: «Man muss sehr vorsichtig sein. Es ist zum Teil schlimm, wie voreilig in letzter Zeit schlechte Studien sogar in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht worden sind.»
Auch Anfang Oktober 2020 sagte er zwar den «Tamedia»-Zeitungen zur Covid-Erkrankung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump: «Als Leibarzt würde ich ihm Remdesivir geben und allenfalls noch Plasma von ehemaligen Covid-19-Patienten, welche die Krankheit gut überstanden haben.»
Keine Werbeversprechen
Er relativierte aber sogleich, dass Remdesivir wahrscheinlich am besten helfe, wenn man es möglichst früh gebe. Und er sagte auch: «Es fehlen zwar entsprechende Studien, die das beweisen würden, und das Medikament ist dafür nicht zugelassen.»
Auch im November 2021, als Günthard
Zuversicht vermittelte, damit Spitalärzte nicht nur negative Szenarien der Pandemie verbreiten und damit prompt die Vorwürfe von Kollegen zu hören bekam, tönte es nicht nach Werbung für Pharma-Sponsoren.
USZ legt Interessenbindungen offen
Nichtsdestotrotz: Sponsorengelder für Uni-Professoren sind ein Problem, insbesondere in der medizinischen Fakultät. Die Universität Zürich legt deshalb seit ein paar Jahren alle
Interessenbindungen offen.
Das Geld, das Günthard für seine Forschung erhält, wird an seine Arbeitgeberin, das Universitätsspital Zürich (USZ), überwiesen. Das USZ ist auf Sponsorengeld angewiesen. 2022 zahlten Firmen insgesamt 8,6 Millionen Franken an Auftragsstudien. Damit lässt sich immerhin ein Teil der Verluste decken, welche das USZ in den
letzten Jahren gemacht hat.
USZ: «Nur sachbezogene Auskunft»
Das USZ verteidigt auch Günthards Aussagen gegenüber den Medien: Es sei normal, dass die Einschätzungen neuer Therapieansätze divergieren. Die Fachleute am USZ würden ausschliesslich sachbezogen Auskunft geben, «auf dem aktuellen Stand ihres Wissens und ihrer Erfahrung».
Mittlerweile hat Huldrych Günthards Forschung weitere Sponsoren angezogen: Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung zahlt seinem Team drei Millionen US-Dollar für die Forschung an einer Impfung gegen HIV. Über dieses Sponsoring hat die Universität Zürich von sich aus und voller Stolz
informiert.
«Kompetentestes Corona-Paar der Schweiz»
Was nicht in der Mitteilung steht: Federführend im Forschungsteam ist Alexandra Trkola, Professorin für Medizinische Virologie an der Universität Zürich. Und sie ist Huldrych Günthards Partnerin. Aber über diese Interessensbindung ist die Öffentlichkeit spätestens seit 2022 informiert. Damals bezeichnete der
«Blick» Alexandra Trkola (57) und Huldrych Günthard (60) als «das wohl kompetenteste Corona-Paar der Schweiz».