Der deutsch-britische Mediziner Edzard Ernst nahm noch nie ein Blatt vor den Mund: 2015 schrieb er zum Beispiel in der Tageszeitung «The Guardian», es gebe keine wissenschaftlichen Argumente für Homöopathie, «die Debatte ist beendet». Bemerkenswert ist, dass Ernst selber Professor für Alternativmedizin ist und als junger Arzt selber mit Homöopathie behandelte (siehe weiter unten.)
«Ich bin bis heute verwundert»
Nun äusserte sich der Professor auch in den Schweizer Tamedia-Medien kritisch zur Homöopathie – und zwar insbesondere über deren Stellenwert in der Schweiz: Als er zum ersten Mal davon gehört habe, dass die Grundversicherung homöopathische Behandlungen vergüte, sei er sehr verwundert gewesen. Und: «Ich bin es bis heute», sagte er in einem Interview.
Verwundert ist er deshalb, weil in der Schweiz kein wissenschaftliches Gremium aufgrund von Studien zum Schluss gekommen sei, dass die Homöopathie wirksam sei und deshalb bezahlt werden sollte. Vielmehr sei es ein Volksentscheid gewesen. Das ist für Edzard völlig unverständlich.
«Über Wissenschaft lässt sich nicht abstimmen»
«Sie können über alles eine Volksabstimmung machen», räumt er zwar ein. «Aber doch nicht über die Wirksamkeit einer Therapie.» Über Wissenschaft lasse sich doch nicht abstimmen.
Ernst ist überzeugt, dass Homöopathie wirkungslos sei und Menschen sogar umbringen könne, wenn sie bei schweren Krankheiten anstelle einer wirksamen Therapie eingesetzt werde.
Mit Prinz Charles im Clinch
Ernst kam bereits 2015 zu dieser Einschätzung. Damals gab der National Health and Medical Research Council in Australien eine umfangreiche Zusammenfassung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands zur Homöopathie heraus. Die Studie bestätigte die kritische Sicht des Forschers für Alternativmedizin.
Mit seinen dezidierten Aussagen zur Homöopathie machte sich Edzard Ernst insbesondere auch bei Prinz Charles unbeliebt. 2005 übte Ernst heftige Kritik an einem Bericht zum Potenzial der Alternativmedizin, welchen der Prinz in Auftrag gegeben hatte.
Ein «skandalöser» Bericht
Der Bericht kam zum Schluss, dass mit alternativen Methoden erhebliche Kosten gespart werden könnten. Ernst vernichtete die Studie aber und nannte den Bericht «skandalös und voller Fehler». Beispielsweise schlüge der Bericht vor, Asthmapatienten mit Homöopathie zu behandeln, was laut Ernst 150 Todesfälle pro Jahr verursachen würde.
2010 beschloss das britische Parlament schliesslich, dass Homöopathie von den Gesundheitsbehörden nicht mehr gefördert und homöopathische Mittel nicht mehr als wirksam beworben werden dürfen.
Keine Ausnahme-Kriterien
Ernst kritisiert generell die Sichtweise vieler seiner Kollegen, die der Meinung sind, dass Wirksamkeitsnachweise für alternativmedizinische Behandlungsmethoden nicht nach Kriterien der evidenzbasierten Medizin erbracht werden sollten.
Ernst ist anderen alternativen Heilmethoden durchaus wohlgesinnt. Die Homöpathie bezeichnet er allerdings als reine Placebo-Therapie. Denn die allermeisten Homöopathika seien derart verdünnt, dass sie kein einziges Molekül der Substanz mehr enthalten, die auf der Packung angegeben ist. Er kritisiert auch Gesundheitsbehörden, welche zulassen, dass Apotheken solche Präparate ohne Wirkstoffe als Medikament verkaufen dürfen.
Professor und Buchautor
Edzard Ernst (74) ist Professor für die Erforschung von Alternativmedizin. Ursprünglich ist er Deutscher. Er wurde als Sohn eines deutschen Kurarztes in Bad Neuenahr geboren. 1993 wechselte Ernst von der Universität Wien an die Universität Exeter. Dort war er der erste Lehrstuhlinhaber auf dem Gebiet der Alternativmedizin.
Ernst forscht mit dem Schwerpunkt auf Wirksamkeit und Sicherheit. Letztes Jahr hat er das Buch «Heilung oder Humbug? 150 alternativmedizinische Verfahren von Akupunktur bis Yoga» veröffentlicht. Dieses Jahr erschien auf Englisch «Charles, the Alternative Prince: An Unauthorized Biography», also eine unautorisierte Biographie über den mittlerweile zum König gewordenen Prinz Charles und seine Ansichten zur Alternativmedizin.