Ein Winterhurer Hausarzt soll im August 2020 während einer Massage die Schamlippen und Brüste einer 19-jährigen Patientin berührt haben.
Er habe der Patientin mit einer Massage nur gegen die massiven Kopfschmerzen helfen wollen, bestritt der Beschuldigte die Vorwürfe vor dem Bezirksgericht Winterthur. 2022 war er in erster Instanz wegen Schändung und sexueller Belästigung verurteilt und mit einem lebenslanges Tätigkeitsverbot bestraft worden.
Der 44-Jährige akzeptierte den Schuldspruch nicht und zog weiter ans Obergericht. Dieses bestätigte nun die Vorinstanz in allen Punkten. Es bleibt also bei einer Verurteilung wegen Schändung und sexueller Belästigung. «Beim Gericht sind keine ernsthaften Zweifel am Sachverhalt vorhanden», sagte der Richter.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Beschuldigte wird es ans Bundesgericht weiterziehen.
Ungewöhnliche Konsultation
Der Arzttermin vor vier Jahren begann unter ungewöhnlichen Umständen: Er fand um 19.30 Uhr statt, also ausserhalb der regulären Praxisöffnungszeiten. Bei der Besprechung im Behandlungsraum tranken die beiden zusammen Tee. Auch Wein soll der Arzt seiner Patientin zuvor angeboten haben.
Der Mediziner soll die Patientin dann gefragt haben, ob er ihren Nacken massieren könne. Während sie von einer Nackenmassage ausging, beabsichtigte er eine Ganzkörpermassage und forderte die junge Frau auf, ihren BH auszuziehen.
«Er würde nun seine Arztrolle ablegen und die folgende Behandlung als Freund durchführen», sagte er laut Anklageschrift, welche der
«Neuen Zürcher Zeitung» vorliegt, zu seiner Patientin. Mit dem Hinweis, dass sie ihn nicht anzeigen solle.
Während der anschliessenden Massage soll der Arzt die Patientin dann ohne ihr Einverständnis im Intimbereich berührt haben. Die überraschte Frau sei in eine Schockstarre verfallen und habe sich nicht wehren können. Später soll er sie auch noch an den nackten Brüsten angefasst haben, als sie vor ihm stand.
Der Arzt bestreitet das. Vielmehr habe man ständig kommuniziert und sie habe stets bejaht, dass seine Handlungen in Ordnung seien.
«Berufsverbot wäre Todesurteil»
Vor den Oberrichtern erscheint der Arzt in kurzen Hosen und Sandalen, präsentiert sich als Opfer und berichtet von grossem Stress, gesundheitlichen Problemen und Umsatzeinbussen aufgrund des Strafverfahrens. Seine Ehefrau sei noch nicht über den Prozess informiert.
Er identifiziere sich stark mit seiner Rolle als Arzt und wolle der Gesellschaft viel zurückgeben. Falls er für eine Tat, die «nicht stattgefunden hat», ein Berufsverbot erhalte, müsse er die Konsequenzen ziehen und würde einem Staat, «der mich köpft», keine Steuern mehr zahlen.
Er wirft seiner ehemaligen Patientin psychische Probleme und Geldgier vor, bezichtigt sie der Falschaussage.
Das Obergericht sieht das anders, die Schilderungen der Frau seien glaubhaft. Der beschuldigte Arzt wird wegen Schändung und sexueller Belästigung zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 120 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren und 2000 Franken Busse verurteilt. Die Patientin erhält rund 1000 Franken Schadenersatz und 3000 Franken Genugtuung zugesprochen.