Denn es herrscht breiter Konsens, dass im Healthcare-Bereich ein «grosses Digitalisierungsdefizit» besteht und dass es jetzt «vorwärtsgehen muss».
So sagte es Stefan Hostettler, Generalsekretär des Innendepartements, an einem Hearing zum Gross-Projekt
Digisanté; die Anhörung war von der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit organisiert worden. Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit BAG, pflichtete ihm bei: Es gehe nicht darum, ob das Gesundheitswesen digitalisiert werde – sondern «wie gut und wie schnell».
Hausaufgaben für alle
Auch für Mathias Becher, Leiter Digitale Transformation beim BAG, stimmt der Kurs. Die Branche bewege sich in die richtige Richtung, sagte er. Allerdings gebe es «viele Abhängigkeiten», so Becher, und es sei schwierig, alle Beteiligten an einen Tisch zu kriegen.
Anne Lévy bestätigte das: «Digitalisierung funktioniert nur, wenn Bund, Kantone und die übrigen Akteure ihre Hausaufgaben machen.»
Die BAG-Chefin betonte die Wichtigkeit des Once-only-Prinzips, also dass Daten nur einmalig erfasst und Doppelspurigkeiten vermieden werden. Damit das funktioniere, sei es notwendig, die Krankenhaus- und Praxisinformationssysteme (KIS/PIS) über entsprechende Schnittstellen an Plattformen wie das E-Patientendossier oder das geplante Organspenderegister anzubinden.
Aktuell sind in grossen Spitälern drei bis vier unterschiedliche KIS im Einsatz, wobei Cistec und Epic den Grossteil des Markts mittelfristig wohl unter sich aufteilen können. Darüber hinaus nutzen Schweizer Arztpraxen rund 60 verschiedene PIS-Produkte.
KIS-Anbieter müssen Schnittstellen bauen
Sicherzustellen, dass die Handvoll KIS-Produkte und die zahlreichen Anbieter von Praxis-Informationssystemen die entsprechenden Schnittstellen bauen, wird schwierig. Vielleicht sogar schwieriger, als mit dem E-Patientendossier einen relevanten Marktanteil zu erreichen.
Nichtsdestotrotz ist dies laut Matthias Becher nicht Aufgabe der Eidgenossenschaft. «Wir wollen uns als Bund nicht in die Privatwirtschaft einmischen», sagte er. Die Integration zu ermöglichen, sei Aufgabe der Software-Anbieter und der Spitäler selbst. Diese müssten in ihren Ausschreibungen für neue Systeme – wie aktuell
das Zürcher Unispital – entsprechende Anforderungen an die Anbieter formulieren, so Anne Lévy auf Nachfrage. Als Bund wolle man aber beide Seiten unterstützen, indem man beispielsweise auf internationale Standards setzt oder anonymisierte Daten zur Verfügung stellt.
EPD und Digisanté gehören zusammen – eigentlich…
Heute ist man aber weit davon entfernt. Es gibt in der Schweiz weder definierte und strukturierte Austauschformate noch funktionierende Integrationen in Praxis- und Krankenhausinformationssysteme. Der Up- und Download von Daten auf die beziehungsweise von der EPD-Plattform passiert in den meisten Fällen manuell, wie eine entsprechende Rücksprache mit Kennern der Branche zeigt.
Eine zusätzliche Schwierigkeit dürfte sein, dass das elektronische Patientendossier als Herzstück der Digitalisierungs-Massnahmen im Gesundheitswesen nicht zum Programm Digisanté gehört. Warum das so ist, «kann man eigentlich nicht erklären», gab Anne Lévy zu. Das sei eine «Verwaltungseigenheit». Doch «das eine funktioniert nicht ohne das andere».