Gerhard Pfister, der Parteipräsident der Mitte, war schon immer für seine deutliche Wortwahl bekannt, insbesondere auch auf Social Media. Im Endspurt um die «Kostenbremse»-Initiative neigt er zu besonderer Direktheit. So forderte er in der
SRF-TV-«Arena» zum Thema FMH-Präsidentin Yvonne Gilli auf, sie solle «im eigenen Laden aufräumen» und den Missbräuchen von Ärzten Einhalt gebieten.
Denn eines ist offensichtlich: Die Debatte um die «Kostenbremse» wird – auch wegen des spürbaren Widerstands von Organisationen wie FMH, VSAO oder MFE – stark zu einem Streit um die Ärzte. Die Sonntagspresse machte deren Honorierung und die Arbeitsbedingungen zuletzt auf mehreren Ebenen zum Thema, zuletzt sogar im Feld der Grundversorgung.
Und so stritt sich Pfister jetzt auch auf Twitter mit Philippe Luchsinger, der bis vor Kurzem den Haus- und Kinderärzte-Verband MFE präsidierte: Der «Mr. Hausarzt» hatte gefragt: «Was soll die Entwicklung des Lohns mit der Kostenentwicklung des Gesundheitswesens genau zu tun haben?» – worauf der Mitte-Präsident konterte: «Klar, dass sich für ihn diese Frage stellt. Bei ihm ist die Lohnentwicklung auch nachhaltig gesichert durch die Prämienzahlenden.»
«Selten so einen Blödsinn gelesen!», konterte Luchsinger: «Mein "Lohn" hat wie der von all meinen Kolleg:innen abgenommen. Der Tarmed wurde nie angepasst. Die Kosten in der Grundversorgung sind unverändert!» Pfisters Aussage sei eine Ohrfeige für die Hausärzte.
Anfrage von Gerhard Pfister im Nationalrat | parl.ch
Schafft die Strategie, die Ärzte als Teil eines Kartells darzustellen – auch diesen Begriff wählte Pfister in der «Arena» – die «Kostenbremse» am Ende doch noch über die Ziellinie?
Der Zuger Politiker hat jedenfalls an anderer, langfristiger Stelle noch einmal nachgelegt. Im Nationalrat reichte er soeben eine
Anfrage an den Bundesrat ein, die den rhetorischen Titel trägt: «Hat der Tag für Ärzte/innen mehr Stunden als für andere Menschen in der Schweiz?». Die Landesregierung solle doch der Bevölkerung erklären, weshalb Ärzte Leistungen in Rechnung stellen, die sie nur erbracht haben können, wenn sie mehr als 24 Stunden pro Tag gearbeitet haben.
Linke Hand, rechte Hand
Es sei Zeit, diesen «unverständlichen Sachverhalt zu beseitigen, auch ohne dass er endlich ein neues kostenneutrales Tarifsystem implementiert», deutet Pfister an. Und er fragt abschliessend: «Oder lässt er seine linke Hand deshalb nicht arbeiten, weil er es mit der rechten Hand ohnehin nicht tun will?»
Das Problem ist natürlich branchenbekannt: Es gibt eine so genannte Minutage, die ein technischer Begriff ist für eine Leistung – die aber von Laien gern als Zeiteinheit verstanden wird. Auch Journalisten bringen das Thema gelegentlich auf und rechnen dann aus, dass einzelne Ärzte eigentlich
26-Stunden-Arbeitstage verbringen müssten.
Was sich dann wiederum politisch gut ausschlachten lässt.
Die Minutage-Unklarheit herrscht insbesondere bei technisch gelagerten Spezialisten. Dass der 24-Stunden-Vorwurf kaum den Grundversorgern gilt, die Pfister auch ins Visier nimmt – Psychiatrie, Hausärzte, Kinderärzte –: Dies zeigt insgesamt, welches Durcheinander herrscht. Ein Durcheinander, in dem es die Gesundheitsbranche kaum schafft, für die Öffentlichkeit Klarheit zu schaffen.