Lange Zeit war es eine Selbstverständlichkeit: Schweizer Laboratorien liessen den Ärztinnen und Ärzten eine «Vergütung» zukommen, wenn sie eine Analyse bestellten. Diese «Vergütung» sollte angebliche Verwaltungskosten decken.
Zehn Prozent Gutschrift
Medinside
berichtete bereits 2019 von solchen Fällen: So hatte sich zum Beispiel ein Genfer Arzt vertraglich verpflichtet, bei einem Labor jährlich Leistungen in der Höhe von 166’000 Franken zu beziehen. Im Gegenzug erhielt er zehn Prozent der den Kassen verrechneten Tarife vom Labor auf sein Konto.
In einem anderen Fall versprach ein öffentliches Spital, der Ärztin oder dem Arzt 10 Franken pro Analyse zu zahlen. Solche Rückvergütungen sind offenbar vor allem bei schweizweit tätigen Grosslabors üblich – und grundsätzlich sogar erlaubt. Allerdings nur dann, wenn sie als Rabatte an die Patienten weitergegeben werden.
«Rigoros gegen Belohnungszahlungen»
Auch der Krankenkassenverband Santésuisse kündete an, dass er bei den Kickback-Praktiken durchgreifen und rigoros gegen Belohnungszahlungen an Ärzte vorgehen wolle, wie Medinside
berichtete. Der Verband drohte Fehlbaren sogar mit Rückzahlungsforderungen.
14 Millionen für «Bereinigung»
Gemäss der Konsumentenzeitschrift «Saldo» reagierten nun offenbar sechs Labors: Sie bieten den Mitgliederkassen des Verbands Santésuisse an, ihnen 14 Millionen Franken zu überweisen. Diese Pauschale soll eine «Vergangenheitsbereinigung» sein.
Als Gegenleistung müssten die Krankenkasse auf Rückzahlungsforderungen und Klagen für alle Kickbacks verzichten, die bis Ende 2021 an Ärzte bezahlt worden sind. Die sechs Unternehmen, welche genannt werden, sind Unilabs, Medisupport, Medica, Synlab, Risch und Medics. Das Labor Team W will ausserdem eine zusätzliche Summe überweisen.
Viel zu tief?
Ob sich die Krankenkassen auf diesen Deal einlassen, ist noch unklar. Das Angebot ist nämlich umstritten. So sagte Dieter Siegrist, der bei der Krankenkasse CSS für die Bekämpfung von Versicherungsmissbrauch zuständig ist, gegenüber «Saldo», dass der Betrag zu tief sei.
Er geht aufgrund von Hochrechnungen davon aus, dass die privaten Labors weit über 100 Millionen Franken als Kickbacks an Ärzte bezahlt hätten.
«Kuhhandel»
Auch zwei Nationalräte, die sich mit Vorstössen gegen die Kickback-Praxis eingesetzt haben, kritisieren das Angebot der Labors. Es sei ein Kuhhandel zulasten der Prämienzahler.
Vor einigen Monaten bestätigte der Bundesrat in einer
Antwort an den Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod: «Solche Praktiken – Cashbacks, Kickbacks, Provisionen – sind bekannt. Sie dürfen jedoch letztlich nicht den Leistungserbringern zugutekommen.» Vielmehr müsse sichergestellt werden, dass die Krankenversicherer und die Versicherten von den Rabatten profitieren. Konkret verlangt der Bundesrat: Solche Provisionen müssen in der Rechnung aufgeführt werden.
«Stolz darauf, kein Kickback-Lab zu sein»
Das Klotener Labor Invenimus hat sich bereits 2019 ausdrücklich von Kickbacks distanziert und sogar ein Gütesiegel eingeführt, auf dem steht: «Proud to be no kick-back-lab» - «Stolz darauf, kein Kickback-Labor zu sein».
Die Kickback-Praktik führe zu einem Vertrauensbruch zwischen Arzt und Patient, kritisiert das Unternehmen. Nicht ohne Grund verbiete die Standesordnung der FMH Entgelte oder andere Vorteile für die Zuweisung von Patienten oder für die Übernahme einzelner Untersuchungs- oder Behandlungsmassnahmen.
Invenimus verfolge konsequent die Politik der «weissen Weste». Das Labor forderte zudem auf, dass Ärzte sich ihnen anschliessen und zum «No-kick-back-doc» werden sollen.