Normalerweise werden Institutionen der Gesundheitsbranche beklatscht, wenn sie die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals verbessern. Schliesslich enspricht das auch dem Volkswillen, wie das deutliche Verdikt der Pflegeinitiative beweist. Doch in Affoltern am Albis liegen die Dinge anders.
Als der Bezirkshauptort mit knapp 20'000 Einwohnern mitteilte, dass im April 2024 die Arbeitszeit aller 350 städtischen Angestellten bei gleichem Lohn von heute 42 auf 38 Stunden gesenkt würden, fielen laut
«NZZ» (Paywall) die Reaktionen heftig aus. Der Präsident des Gewerbeverbandes spricht von einem «Schlag ins Gesicht der KMU». Er befürchte, das lokale Gewerbe gerate in Zugzwang, wie die «Neue Zürcher Zeitung» in ihrer aktuellen Ausgabe schreibt.
Und der Arbeitgeberverband des Bezirks Affoltern sieht laut «NZZ» in der 38-Stunden-Woche eine modische Zeiterscheinung der Linken. Es gehe nicht an, dass die Stadt da mit Steuergeldern eine Vorreiterrolle übernehme, hiess es.
Eben: Im Säuliamt liegen die Dinge anders. Arbeitgeber- und Gewerbeverband stören sich an den neuen Arbeitsbedingungen der Verwaltungsangestellten. Dass auch das Pflegepersonal besser gestellt wird, dürfte sie kaum stören. Nun ist es halt so, dass 160 der insgesamt 350 Angestellten in der Pflege oder in der Spitex tätig sind. Das ist mehr als die Hälfte all jener, die von einer 38-Stunden-Woche profitieren, wenn man bedenkt, dass die 150 Lehrpersonen der Primarschule von dieser Massnahme ausgenommen sind. Sie unterstehen dem kantonalen Lehrpersonalrecht.
«Der Grund für diesen ungewöhnlich hohen Anteil liegt darin, dass das Pflegeheim Seewadel ein Teil der Stadtverwaltung ist», schreibt die «NZZ». Damit untersteht es nicht dem allgemeinen Arbeitsrecht.
Die Zeitung erinnert daran, dass die Stadtverwaltung vor über zehn Jahren das Pflegeheim an die Senevita verkaufen wollte. Das Stimmvolk lehnte die Privatisierung 2012 an der Urne ab.