Die Suizidkapsel «Sarco» hätte Mitte Juli in der Schweiz eingeweiht werden sollen. Es kam nicht soweit. Immerhin erhielt dadurch der australische Sterbehilfe-Aktivist Philip Nitschke seine Medienpräsenz.
Die Schweizer Sterbehilfe-Organisation Exit distanziert sich von dieser Methode, wo sich Menschen auf Knopfdruck mit Stickstoff selbst töten können.
«Unser Verein arbeitet seit Jahrzehnten zuverlässig mit Ärztinnen und Ärzten zusammen, die für betroffene Menschen ein Rezept für das sichere und breit akzeptierte Sterbemittel Natrium-Pentobarbital ausstellen», schreibt Exit im aktuellen Newsletter.
Wie halten es andere europäische Länder mit der Sterbehilfe?
Spanien
Im Unterschied zur Schweiz erlaubt Spanien seit 2021 die aktive Sterbehilfe. Das entsprechende Gesetz wurde von der linken Regierung eingebracht. Wie Exit im Newsletter vom März 2021 schreibt, muss die sterbewillige Person an einer unheilbaren Krankheit oder einer schweren chronischen Behinderung leiden, welche nicht mit anderen Mitteln gemildert werden können. Zudem muss eine staatliche Kontroll- und Evaluierungskommission nach einem mehrstufigen Verfahren dem Antrag des Patienten zustimmen. Meistens erfolgt die aktive Sterbehilfe durch Ärztinnen und Ärzte mit einer tödlichen Spritze.
Frankreich
Nach geltendem Recht haben in Frankreich unheilbar kranke Menschen das Recht auf eine kontinuierliche Sedierung bis zum Tod. Die Abgabe tödlicher Medikamente ist (noch) verboten. Nun legte die französische Regierung im April 2024 einen Gesetzesentwurf vor, der es unheilbar kranken Personen ermöglicht, ihr Leben mit tödlichen Medikamenten zu beenden.
Deutschland
2020 hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmässigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt. Es argumentierte, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die Freiheit einschliesse, sich das Leben zu nehmen und auf freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. So befindet sich der assistierte Suizid seit diesem Urteil in einer rechtlichen Grauzone. Entsprechende Gesetzesvorschläge fanden bisher im Bundestag keine Mehrheit. Für Ärztinnen und Ärzte gibt es weiterhin keinen Rechtsrahmen für die Abgabe todbringender Substanzen.
Österreich
Wie in Deutschland erklärte auch in Österreich der Verfassungsgerichtshof die bisherige Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid für verfassungswidrig. Das war am 11. Dezember 2020. Aber anders als in Deutschland hat Österreich die rechtlichen Voraussetzungen für den assistierenden Suizid geregt. Anfang 2022 ist das entsprechende Sterbeverfügungsgesetz in Kraft getreten. Es regelt die Voraussetzungen für den assistierten Suizid. Zu diesem Zweck wurde das Instrument der Sterbeverfügung geschaffen.
Gemäss dem österreichischen Bundesministerium Justiz kann «jede dauerhaft schwerkranke oder unheilbar kranke Person» eine Sterbeverfügung verfassen - analog der Patientenverfügung. Sie muss volljährig und entscheidungsfähig sein.
Mit der Sterbeverfügung können sterbewillige Personen bei der Apotheke ein letales Präparat abholen und dieses dann zu sich zu nehmen. Bei bettlägerigen Menschen kann das Präparat von einer beauftragten Person abgeholt werden.
Italien
In Italien hat das Verfassungsgericht den Weg für den assistierten Suizid schon 2019 geebnet. Über den ersten Fall, dem erstmals ein ärztlich begleiteter Suizid erlaubt worden war, wurde im Juni 2022 breit berichtet, auch in Schweizer Medien. Es handelte sich um einen 44-jährigen ehemaligen LKW-Fahrer, der nach einem Verkehrsunfall vom Hals abwärts komplett gelähmt war - und das seit zehn Jahren.
Portugal
Im katholisch geprägten Portugal ist die Entkriminalisierung der Sterbehilfe erst im zurückliegenden Jahr Tatsache geworden. Das portugiesische Parlament hat das Gesetz zur Legalisierung der Sterbehilfe nach langen und heftigen politischen Querelen im Mai 2023 verabschiedet, nachdem der konservative Präsident Marcelo Rebelo des Sousa wiederholt von seinem Vetorecht Gebrauch machte.
Die Möglichkeit zur Sterbehilfe gilt aber nur für Erwachsene, die unter «anhaltenden» und «unerträglichen» Schmerzen zu leiden haben. Nach diesem Wortlaut könnte also ein Mann wie der italienische LKW-Fahrer sein Leben nicht beenden.
Suizidkapsel weiter in den Schlagzeilen
«Die Saga um die umstrittene Suizidkapsel Sarco geht in die nächste Runde», schreibt die NZZ in der Mittwochausgabe.
Sarco-Erfinder Philip Nitschke soll in einer E-Mail seiner Sorge um eine 55-jährige Amerikanerin geäussert haben: «Sie sei psychisch krank, und er könne sie nicht mehr erreichen.»
Es geht um die Frau, die als erste Nutzerin der Kapsel vorgesehen gewesen war. Was der Ausstralier offenbar nicht wusste: Die Frau hat sich inzwischen mit Unterstützung einer Schweizer Sterbehilfe-Organisation das Leben genommen.
Damit nicht genug: Die Verstorbene hinterliess einen Bericht, der auf Nitschke ein schlechtes Licht wirft.
Gemäss NZZ, der besagter Bericht vorliegt, fühlte sich die Amerikanerin von den Sarco-Leuten finanziell ausgebeutet. Sie habe ihnen zahlreiche Einkäufe und Reisen finanzieren müssen und sei sie einem «Medienzirkus» ausgesetzt worden.
«Dauernd seien Journalisten und Kameraleute um sie herumgeschwirrt, so dass sie kaum zur Ruhe gefunden habe,» beschwerte sich die Kranke gemäss NZZ.