Der Ausgangspunkt liegt im Jahr 2007. Damals erfasste eine Studie den «Status quo der IT-Nutzung in Schweizer Arztpraxen». Und sie ergab,
- dass 11,7 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte eine vollwertige elektronische Krankengeschichte (eKG) nutzten;
- dass 84,3 Prozent zwar einen Praxiscomputer hatten, jedoch ohne volle eKG-Funktionalität. Das Gerät diente also primär administrativen Zwecken.
- Dass 3,5 Prozent der Praxisärzte noch vollends papierbasiert arbeiteten.
Jetzt führte das Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich
erneut eine derartige Studie durch; angefragt wurden 1'200 niedergelassene Ärztinnen und Ärzten aller Fachrichtungen. Am Ende konnten die Fragebogen von 667 FMH-Medizinern ausgewertet werden, und die Zusammensetzung hinsichtlich Faktoren wie Alter, Geschlecht, Praxisform oder Lage entsprach den Werten der FMH-Statistik. Daher kann die Stichprobe als repräsentativ gelten.
Was hat sich also verändert seit 2007?
Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass sich der Anteil der Nutzer von elektronischen Krankengeschichten in etwa verdreifacht hatte:
- Nun nutzten 35,2 Prozent der niedergelassenen Ärzte diese Möglichkeit.
- 59,1 Prozent verfügten über einen Computer in der Praxis, jedoch nur für administrative Zwecke,
- und 4,5 Prozent besassen keinen Praxis-Computer – also doch etwa einer von 22.
Am «modernsten» waren die 30−49-jährigen, männlichen, in der Deutschschweiz niedergelassenen, als Hausarzt arbeitenden, in Gruppenpraxen tätigen respektive seit maximal 10 Jahren niedergelassenen Ärzten. In diesen Kategorien war der Anteil der eKG-Nutzer jeweils am höchsten.
Die Erhebung unter Leitung von
Sima Djalali zeigte auch, dass die Mediziner ihren Computer lieber für administrative Aufgaben nutzen – also für Agenda, Tarmed-Erfassung, Rechnungen – denn für die Verarbeitung medizinischer Daten.
Ein Beispiel: Laborverordnungen wurden lediglich von 17 Prozent der Befragten routinemässig über elektronische Formulare verordnet. Die Mehrheit regelte dies über Brief und Fax und archivierte die Befunde auch in Papierform − selbst wenn sie eine eKG nutzten.
Ähnliche Tendenzen zeigten sich auch bei apparativen Diagnostikergebnissen und Befunden externer Behandler.
«...konnten nicht identifiziert werden»
Vielleicht am verblüffendsten erscheint die Einsicht, dass fast alle Teilnehmer – konkret: 96 Prozent – ihre Befunde mit Vorliebe als Brief oder Fax versandten. Nur (oder immerhin?) 46 Prozent gaben an, gelegentlich auch E-Mails oder Online-Plattformen dafür zu nutzen.
Die papierlose Arztpraxis ist also in weiter Ferne. Nur ein Bruchteil von weniger als 2 Prozent der Teilnehmer berichteten, Befundberichte ausschliesslich elektronisch zu erhalten. «Teilnehmer, die das gesamte abgefragte Spektrum des Labor- und Dokumentenmanagements vollelektronisch und medienbruchfrei organisierten, konnten nicht identifiziert werden», schreibt Studienleiterin Djalali in der
«Ärztezeitung».
Eine Mehrheit will die IT-Nutzung nicht ausbauen
Natürlich kann man allerlei Erklärungen für diesen Stand und diese Haltungen finden: Es gibt berechtigtes Misstrauen aus Gründen der Datensicherheit, und offenbar ist die Alltagskommunikation in der Praxis voller Anschluss-Probleme. Allerdings scheint auch das Interesse der Ärzte an der Digitalisierung bescheiden bis gering. In der Umfrage gab eine Zweidrittels-Mehrheit an, dass man den gegenwärtigen Grad der IT-Nutzung innerhalb der nächsten drei Jahre nicht ausbauen wolle.
Die Forscherinnen und Forscher des Instituts für Hausarztmedizin ziehen einige interessante Folgerungen daraus, zum Beispiel:
- dass reine Image-Kampagnen für eHealth wohl nicht genügend dürften, um den Austausch von Dossiers unter den Ärzten zu fördern;
- dass erst eine kritische Masse erreicht werden muss, damit sich die Ärzte in gegenseitigem Gruppendruck mehr und mehr vom Papier abwenden.