Aber wie weit spiegeln solche Facebook-Äusserungen die harte Realität? Eine Einschätzung bietet Luca Angelastri, der seit Jahren nicht nur ausländische Pflegefachleute vermittelt, sondern sie auch beim Wechsel und bei der Integration in der Schweiz betreut.
Herr Angelastri, Sie beraten Pflegefachleute, die aus Deutschland und Österreich in die Schweiz ziehen. Was ist deren Hauptsorge beim Wechsel?
Wenn wir jemandem ein positives Feedback und eine Stelle anbieten können, ist die Freude bei den Bewerbern immer sehr gross. Doch dann erst beginnt die grosse Arbeit. Eine der Hauptsorgen ist es, eine passende Wohnung in Arbeitsnähe zu finden: Der Wohnungsmarkt in den Städten ist eng und die Preise hoch. Daher bieten wir als Stellenvermittler unterdessen selber 10 möblierte Wohnungen in Zürich, Bern und Rapperswil an.
Eine weitere Sorge bei vielen sind die höheren Kompetenzen, welche eine Pflegefachkraft in der Schweiz hat, verglichen mit Deutschland und Österreich: «Genüge ich den Ansprüchen? Lerne ich diese Zusatzaufgaben schnell genug? Lerne ich Schweizerdeutsch?»
Luca Angelastri absolvierte eine Bankausbildung und war danach in mehreren Dienstleistungs-Instituten in Zürich, Frankfurt und London tätig. 2012 gründete er mit seinem Partner Oliver Steiner die
Premium Partners AG, welche Berufsleute beim Wechsel in die Schweiz betreut und berät. Ein Schwergewicht liegt dabei auf dem Pflegepersonal.
Was sind dann in der Realität, im klinischen Alltag die wichtigsten Probleme? Wo gibt es Friktionen?
Im Alltag zeigt sich, dass einige dieser Sorgen völlig unbegründet sind. Die Sprache ist nur in den ersten Wochen eine Schwierigkeit: Österreicher und Süddeutschen verstehen Schweizerdeutsch schon nach wenigen Wochen, Norddeutsche brauchen vielleicht etwas länger.
«Für viele ist es beruhigend, dass es so viele Deutsche und Österreicher in der Schweizer Pflege gibt»
Man muss sich in der Arbeit aktiv um das Erlernen seiner neuen Kompetenzen kümmern, es gibt viele Möglichkeiten für Schulungen und Weiterbildungen. Für viele ist es neu und eine Umstellung, in 3 Schichten zu arbeiten statt in 2 Schichten à 12 Stunden. Das braucht etwas Umgewöhnungszeit.
Und was gefällt? Wie zufrieden sind die Leute insgesamt?
Die Zufriedenheit ist äusserst gross. Viele bereuen, dass sie nicht schon früher den Schritt in die Schweiz gewagt haben. Sie sind vielleicht noch immer eng mit ihrer Heimat verbunden – trotzdem können sich nur die wenigsten vorstellen, zurückzukehren. Für viele ist es beruhigend, dass sie nicht die einzigen Neuen sind und dass es sehr viele Deutsche und Österreicher im Pflegebereich gibt.
«Man kann hier viele Weiterbildungsmöglichkeiten beanspruchen – was das Arbeiten in der Schweiz sehr attraktiv macht»
Die Teams sind von Nationalitäten bunt durchmischt: Schweizer, Deutsche, Österreicher, Südtiroler und so weiter. Manche ganz neu in der Schweiz, einige schon sehr lange hier. So hatte man stets jemanden für gute Tipps und schnell Kontakte geknüpft. Auch macht es mehr Spass, im Beruf mehr Verantwortung übernehmen zu können. Man kann hier Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten beanspruchen, sie werden gefördert – was das Arbeiten in der Schweiz sehr attraktiv macht. Aber auch das Leben im allgemeinen in der Schweiz ist besser.
Wie ist in etwa die Quote: Welcher Anteil bleibt über mehrere Jahre?
In den letzten vier Jahren sind 95 Prozent der vermittelten Kandidaten in der Schweiz geblieben und noch immer hier. Egal ob jung oder älter, es gefällt den meisten. Man schätzt die Lebensqualität wie auch das hohe Ansehen, den der Pflegeberuf hier hat.
Was sind die Hauptgründe, weshalb jemand am Ende wieder zurückkehrt in sein Heimatland?
Mitarbeiter, die während den ersten beiden Jahren in der Schweiz Eltern werden, kehren eher zurück – egal ob Frau oder Mann. Die Mithilfe der Grosseltern ist ein Aspekt dabei. Und ein Grund sind sicherlich auch die hohen Kosten für Kinderhort und Krippe in der Schweiz. Solche Angebote sind im Ausland oft kostenlos.
Man hört, dass insbesondere Fachleute aus Deutschland nicht mehr so einfach zu gewinnen sind. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Davon merken wir wenig. Wir haben heute aus Deutschland gleich viele Bewerbungen wie beispielsweise im Jahr 2013. Durch die neue Pflegereform in Österreich haben wir von dort sogar dreimal mehr Bewerbungen als noch vor einigen Jahren.
«Wir haben heute aus Deutschland gleich viele Bewerbungen wie beispielsweise 2013»
Es braucht aber als Stellenvermittler mehr als früher. Wir begleiten beispielsweise Kandidaten nach der Stellensuche weiter. Unsere möblierten Wohnungen sind nur ein Beispiel dafür; zusätzlich schliessen wir auf Wunsch gleich die Krankenkasse ab, eröffnen ein Gehaltskonto und organisieren das neue Handyabo. Dies scheinen nur Kleinigkeiten. Aber solche Services vereinfachen Vieles.