Covid: Dieser Wirkstoff verhindert eine Infektion

Münchner Forscher machen Hoffnung: Sie haben ein Protein entwickelt, das die Infektion durch das Sars-CoV-2-Virus und seine Mutationen zuverlässig verhindert und gleichzeitig das Herz-Kreislaufsystem schützt.

, 14. Dezember 2021 um 10:53
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Professorin Ulrike Protzer (rechts), Leiterin des Instituts für Virologie der Technischen Universität München und Direktorin am Helmholtz Munich, mit einer Mitarbeiterin am PCR-Analyseautomaten im Institut für Virologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Astrid Eckert/TUM)
Wird dieser Wirkstoff das Sars-CoV-2-Virus und seine Mutationen erfolgreich bekämpfen? Nun, es macht zumindest Hoffnung. Tatsache ist, dass die Wissenschaft zwar blitzartig Impfstoffe gegen das Coronavirus bereit gestellt hat – bei der Entwicklung von Medikamenten hingegen werden bisher nur Teilerfolge verzeichnet. Jetzt hat ein Münchener Forschungsteam, gefördert von der Bayerischen Forschungsstiftung, ein vielversprechendes Medikament entwickelt.
Die bisher wirkvollsten Therapien sind diejenigen, die auf den Einsatz von Antikörpern zählen (siehe Text unten). Ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Technischen Universität München, der Ludwig-Maximilians-Universität München, von Helmholtz Munich und der Münchener Formycon AG, verfolgt jedoch eine andere Strategie (siehe Bildergalerie unten).

Wirkstoff verhindert Infektion

Sie haben das Angiotensin-converting enzyme 2 (ACE2), ein Protein welches das Coronavirus als Eintrittspforte nutzt, mit einem Teil eines menschlichen Antikörper-Proteins verbunden und damit einen Wirkstoff geschaffen, der das Spike-Protein des Virus blockiert. In Zellkulturversuchen konnten sie damit das Virus komplett neutralisieren und eine Infektion verhindern.
«Sowohl Impfstoffe als auch Antikörper-Medikamente haben das Problem, dass das Virus ihnen mit jeder erfolgreichen Mutation ein klein wenig ausweicht», wird Ulrike Protzer, Leiterin des Instituts für Virologie der TU München und bei Helmholtz Munich, in der Medienmitteilung zitiert. «Dadurch entstehen sogenannte Immune-Escape Varianten.»
Das Team um die Professorin Ulrike Protzer und Johannes Buchner, Professor für Biotechnologie in der Chemie-Fakultät der TU München in Garching, bietet daher dem Virus sein wichtigstes Ziel an, das ACE2-Protein.

Mutationen im Visier

Da das einfache ACE2-Protein von anderen Enzymen im menschlichen Körper zu schnell abgebaut würde, fusionierten sie das ACE2-Protein mit einem Fragment des menschlichen Antikörpers Immunglobulin G (IgG).
«Da ein optimales Andocken an das ACE2-Protein für das Virus überlebensnotwendig ist, kann das Virus einem Medikament, das genau auf diesem Protein basiert, nicht ausweichen», fügt Buchner an. Das Fusionsprotein werde daher auch gegen zukünftige Mutationen sicher wirken.
Laborversuche mit dem Fusionsprotein, das intern den Namen FYB207 bekommen hat, dem ursprünglichen Virus und den Varianten Alpha, Beta und Delta bestätigen die Annahme des Forschungsteams. Versuche der neuen Omikron-Variante starten laut Mitteilung aktuell.

ACE2-Protein schützt Lunge

Das Fusionsprotein FYB207 kann potenziell gegen allen Corona-Viren eingesetzt werden, die ACE2 als Eintrittspforte benutzen – nicht nur gegen Varianten des aktuellen Sars-CoV-2-Virus. ACE2 besitzt darüber hinaus eine natürliche Enzymaktivität im Herz-Kreislaufsystem, die einen zusätzlichen Schutz für Lunge, Herz und Niere vor einem bedrohlichen Organversagen bieten könnte.
Zu Beginn der Forschungsarbeit wurden verschiedene Kombinationen von ACE2 und Immunglobulin-Fragmente als Fusionsproteine im Labor getestet. Das Team entschied sich für ein stabiles Fragment des IgG4-Proteins als Fusionspartner. Um die Stabilität weiter zu erhöhen, wurden geringfügige Mutationen eingebaut. Zwei Varianten werden derzeit in präklinischen Studien eingehend untersucht.
«Das Fusionsprotein lässt sich gut biotechnologisch herstellen», ergänzt Carsten Brockmeyer, Mitautor der Studie und CEO der Formycon AG. «Im Rahmen der Kooperation haben wir auch darauf geachtet, dass die ausgewählten Wirkstoffvariationen pharmakologisch günstige Eigenschaften haben. Im ersten Halbjahr des kommenden Jahres hoffen wir, mit den ersten klinischen Studien beginnen zu können.»
«Das Sars-CoV-2-Virus und seine Verwandten werden die Menschheit auch in Zukunft weiter begleiten», so Ulrike Protzer. «Auch wenn die Impfung schwere Krankheitsverläufe sehr zuverlässig verhindert, die deutlich ansteckenderen Delta- und Omikron-Varianten haben gezeigt, dass sich sowohl Genesene als auch Geimpfte erneut anstecken können. Vor dem Hintergrund zukünftiger, möglicherweise noch ansteckenderer Varianten brauchen wir daher neben der Impfung auch einen breit wirksamen Wirkstoff gegen dieses Virus.»
Zur Publikation auf ScienceDirect geht es hier
Antikörper-Therapien 
Das Sars-CoV-2-Virus nutzt ein Protein an der Oberfläche menschlicher Zellen als Eintrittspforte, das sogenannte Angiotensin-converting enzyme 2 (ACE2). Hier greift das sogenannte Spike-Protein des Virus an, um anschliessend die Zelle zu infizieren. Die bisher wirksamste medikamentöse Therapie gegen das Sars-CoV-2s-Virus sind Antikörper-Therapien.
Hierbei werden rekombinante Antikörper zur Therapie von Covid-19-Erkrankungen eingesetzt, unter anderem auch am TUM-Klinikum rechts der Isar, jedoch entzieht das Virus, sich durch Mutation dem Angriff durch die therapeutischen Antikörper und teilweise sogar den natürlichen, nach einer Impfung ausgebildeten Antikörpern.

Bildergalerie: Der Wirkmechanismus

(Sie können mit dem weissen Pfeil rechts in der Mitte des Bildes wechseln)
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Das Sars-CoV-2-Virus nutzt ein Protein an der Oberfläche menschlicher Zellen als Eintrittspforte, das sogenannte Angiotensin-converting enzyme 2 (ACE2). Das Fusionsprotein FYB enthält den Teil des ACE2-Proteins, den das Virus zum Andocken braucht sowie einen Teil des menschlichen Immunglobulins IgG4. Indem es die Spike-Proteine des Virus blockiert, unterbindet FYB im Zellkulturversuch die Infektion zuverlässig. (Formycon AG)
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