Das elektronische Patientendossier EPD wird kommen. Soviel ist sicher. Bis es im Frühling 2020 allerdings soweit ist, müssen noch viele Hürden überwunden werden. Darin sind sich die Diskussionspartner einig. Uwe E. Jocham, Direktionspräsident Inselgruppe Bern formuliert es in seinem Referat so: «Die wichtigste Hürde, die übersprungen werden muss, ist das Vertrauen. Die Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass mit ihren Daten sorgsam umgegangen wird.» Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Nutzen, den das EPD für die Patienten mit sich bringen wird. Dieser müsse offensichtlich und verständlich sein, damit die Akzeptanz für dieses neue Modell gegeben sei. «Nutzen heisst Patientensicherheit, Nutzen heisst Qualität der Behandlung und Kosteneffizienz», bringt es Dr. med. Yvonne Gilli aus dem FMH-Zentralvorstand auf den Punkt.
Doch nicht nur für den Patienten muss das EPD einen klaren Mehrwert generieren, sondern auch für Verbände, Spitäler, Pflegeheime, Spitex, Apotheken, Ärzte, Privatunternehmen, Patientenorganisationen sowie für Wirtschaft und Politik.
Positive Stimmung
Das EPD sorgte in jüngster Vergangenheit immer wieder für Negativschlagzeilen. Wie nehmen die Diskussionspartner die Stimmung wahr? Dazu Adrian Schmid, Leiter eHealth Suisse: «Grundsätzlich nehme ich die Kommunikationssituation sehr positiv wahr. Wir stellen fest, dass viele Beteiligte im Wartemodus sind und die Spannung entsprechend gross ist». Die positive Grundstimmung bestätigt sich auch im Austausch zwischen Martin Bruderer, Strategischer Projektleiter eHealth/EPD vom Universitätsspital Basel, Dr. Arnold Bachmann, Präsident Verein eHealth Südost, Dr. med. Yvonne Gilli, FMH-Zentralvorstand, Hansjörg Looser, Präsident IHE Suisse, Thomas Menet, eHealth-Verantwortlicher Kanton Aargau sowie Marcel Mesnil, Generalsekretär pharmaSuisse. Yvonne Gilli sagt: « Bei den Mitgliederorganisationen ist die Stimmung sehr positiv. Jedoch gibt es keine einheitliche Deutung des EPD. Die ersten Erfahrungen werden uns zeigen, wie gross die Lücke zwischen Hoffnung und Realität ist.»
Vertrauensbildung ist komplex
Es zeigt sich auch, dass es noch sehr viele offene Fragen gibt. Uwe E. Jocham beurteilt vor allem die Frage des Vertrauens kritisch: «Vertrauensbildung ist ein komplexer Mechanismus. Sämtliche Beteiligten müssen diesen Prozess aktiv mitgestalten.» Wenn es gelingen soll, die Patienten zu überzeugen, müsse der Einstieg ins EPD beim ersten Mal erfolgreich sein. Denn: «Man hat keine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen». Marcel Mesnil sieht vor allem auf Ebene der Kosten viele Fragezeichen: «Wir wissen heute noch nicht, was es kostet, ein Dossier zu eröffnen, wieviel Aufwand dahinter stecken wird und wer dafür bezahlen wird».
EPD als Organisations- und Kulturprojekt
Deutlich wird, dass die Integration des EPD weniger als technische Herausforderung, sondern vielmehr als Organisations- und Kulturprojekt betrachtet wird. Dazu Martin Bruderer vom Universitätsspitals Basel: «Die Technik ist keine grosse Hürde. Ein viel grössere Herausforderung ist der Mensch und seine Bereitschaft, sich zu wandeln.» Laut Urs Zenoni, FMC-Geschäftsführer, seien 90 Prozent Herzblut und 10 Prozent Technik nötig, um Versorgungsprozesse zu digitalisieren .
In jedem Fall gibt es noch viele Baustellen, die beseitigt werden müssen, damit alle Gesundheitseinrichtungen, nicht nur die Spitäler, wissen, wie sie die Prozesse aufsetzen müssen. Adrian Schmid fasst es treffend zusammen: «Es läuft viel, aber es gibt auch noch sehr viel zu tun.» Der echte Mehrwert wird seiner Ansicht erkennbar sein, wenn ein strukturierter Datenaustausch erfolgreich etabliert ist. Und eines ist aus seiner Sicht jetzt schon klar: «Dieses Projekt wird uns noch über viele Jahre begleiten.»