So wollen Spitäler den Abfall von Nahrungsmitteln senken

Nicht nur das Luzerner Kantonsspital (LUKS), auch andere Spitäler wollen den Abfall an Nahrungsmitteln reduzieren. Ihr Vorgehen ist verschieden. Doch kaum ein Spital macht es so akribisch wie das LUKS.

, 31. August 2017 um 14:00
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Wohin mit dem Brot? Besser weniger auftischen, als überschüssige Lebensmittel im Biogas zu entsorgen. 
Das Kantonsspital Luzern will innerhalb eines Jahres ein Drittel weniger Lebensmittel wegwerfen. Beraten und begleitet wird das LUKS von United Against Waste. Medinside berichtete.
Die Frage drängt sich auf: Wie verhält es sich bei anderen Spitälern? Was treffen die Gesundheitshäuser für Vorkehrungen, damit weniger Lebensmittel im Bioabfall landen?

Luzern: Der Leuchtturm der Branche

Das Fazit einer kurzen Umfrage: Alle Spitäler befassen sich mit dem Problem, zumindest sagen sie das. Doch keines geht so weit wie das LUKS. Das bestätigt auch Moritz Müllener, Projektleiter bei United Against Waste. «Die Reduzierung von Lebensmittelabfall ist in allen Spitälern ein Thema», sagt er. Doch Luzern sei ein Leuchtturm, was Umfang und Detailgrad der Analyse betrifft.
Das einfachste Vorgehen besteht darin, den Abfall zu wägen, bevor er in der Biogasanlage entsorgt wird. Doch die Luzerner wollen es genau wissen. Sie wollen wissen, wie viele unberührte Plateaux, wie viel Fleisch, Suppen, Stärkebeilagen und Gemüse und Früchte im Biogas landen. Erst wenn man über diese Detailkenntnisse verfügt, kann man abschätzen, welche Massnahmen am ehesten greifen.
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    Moritz Müllener, Projektleiter bei United Against Waste:

    «Luzern ist ein Leuchtturm, was Umfang und Detailgrad der Analyse betrifft.»

Schulthess: Abfall um 20 Prozent reduziert

Auch die Zürcher Schulthess Klinik liess sich im vergangenen Jahr von United Against Waste beraten. «Wir konnten den Abfall um 20 Prozent reduzieren», sagt Sprecherin Simone Marquart. Das Personal sei angewiesen worden, der Küche zu melden, wenn Patient X oder Y lieber kleinere Portionen wünsche. Eingeschweisste Ware wie Butter, Käse oder Konfitüre, die man in Spitälern auch ungeöffnet nicht anderen Patienten servieren darf, gebe man Schweizer Tafel. Das ist jene Organisation, die gemäss Website im zurückliegenden Jahr täglich 16 Tonnen «überschüssige, einwandfreie Lebensmittel an soziale Institutionen verteilte.»

Solothurn: «Ist es recht so?»

Auch bei den Solothurner Spitälern war United Against Waste schon aktiv. Über die Dauer von fünf Wochen sind die Lebensmittelresten gesammelt worden. Seither werden geringere Mengen herausgegeben, heisst es in der Barockstadt. Beim Schöpfen sage man nicht mehr «Darf es etwas mehr sein?» Sondern: «Ist es recht so?» Doch genau so entscheidend wie die Reduktion von Bioabfall sei die Art der Verwendung. «In den Solothurner Spitäler werden die biogenen Abfälle der energetischen Verwertung zugeführt, als Beitrag an die geschlossene Kreislaufwirtschaft», erklärt ein Sprecher.

St. Gallen: Beratung durch die ZHAW

Das Kantonsspital St. Gallen hat die Foodwaste-Thematik im Rahmen einer Doktorarbeit mit der ZHAW in Wädenswil analysieren lassen. Seither sind Suppen und Dessert nicht mehr automatisch dabei. Auch Kleinigkeiten wie Brötchen- und Butterportionen wurden reduziert, können jedoch bei Bedarf bestellt werden. Wie stark sich dadurch der Abfall reduzieren liess, haben die St. Galler nicht erhoben.

Uri: Die Waage bestimmt den Preis

Im Kantonsspital Uri können Patienten zwischen viertel, halbe und ganze Portionen auswählen. Und in der Selbstbedienungs-Cafeteria wird der Preis für das Menue seit einiger Zeit mit der Waage bestimmt. Wie stark sich dadurch der Abfall reduzieren liess, hat das Spital nicht erhoben. Es schätzt aber eine Reduktion um 15 bis 20 Prozent.

Männedorf: Schlankeres Menue

Das Spital Männedorf hat vor zwei Jahren ein schlankeres Menue kreiiert. Früher gab es standardmässig Salat, Suppe, Hauptgang und Dessert. Heute nur noch Salat oder Suppe plus den Hauptgang. Das Dessert muss man zusätzlich bestellen. Zudem können Patienten zwischen verschiedenen Portionengrössen wählen. Indem Prozesse und Abläufe zwischen Küche und Roomservice besser aufeinander abgestimmt wurden, konnte der Abfall nach Angaben des Spitals nahezu halbiert werden.

Thurgau: Vertraut auf eigenes Gastronomie-Knowhow

Das Spital Thurgau erklärt, dass man im Rahmen von Benchmarking Erhebungen über Lebensmittelresten und Retouren durchgeführt habe. Doch die Frage, ob aufgrund gezielter Massnahmen die Lebensresten reduziert werden konnten, blieb unbeantwortet. Spitaldirektor Stephan Kunz erklärt lediglich, dass man über genügend Gastronomie-Knowhow verfüge, um das Thema selber zu bearbeiten.

Lindenhof: Überwachung der Abfallmengen

Die Stadtberner Lindenhofgruppe wählt nach eigenen Angaben bewusst den Ansatz einer präzisen Produktionsplanung und verzichtet daher auf eine generelle Reduktion der Portionengrössen analog Luzern. Abfallmengen würden genau überwacht und bei Auffälligkeiten würde sofort reagiert.

Basel: Foodwaste vor allem beim Frühstück

Die Universitätsspital Basel setzt beim neuen Konzept auf Micropast – einer Methode zum Haltbarmachen von Lebensmitteln. Laut einem Sprecher ermöglicht das spezifische Produktionsverfahren das zeitnahe Bestellen der Mahlzeiten. Die Bestellung für das Mittagessen wird zum Beispiel um 11:30 Uhr aufgenommen, um das Gericht 10 Minuten später zu servieren. Somit werde kein extra Essen aufbereitet, sondern nur das serviert, was bestellt wurde. Bei der Analyse der Lebensmittelabfälle sei ersichtlich geworden, dass vor allem das Frühstück einen relativ hohen Food Waste aufweist. Deshalb wurde der Bestellvorgang komplett verändert: Seit März wird der Patient nicht am Vorabend, sondern erst am Morgen gefragt, was er essen möchte. Allein dieser Wechsel führte laut offizieller Lesart zu einer Reduktion des Lebensmittelabfalls um 40 Prozent. 
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Alle von Medinside angefragten Spitäler erklärten, dass sie sich mit dem Thema Foodwaste befassen. Hier sind nur jene zitiert, welche konkrete Massnahmen kommunzieren konnten, die über das Normale und Selbstverständliche hinausgehen.
So oder so: Das Beispiel Luzern könnte Schule machen: Eine Delegation des Berner Inselspitals hat sich schon mal in Luzern für einen Betriebsbesuch angemeldet. 
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