Aussage zur Impfstoffgefährlichkeit sorgt für Wissenschaftsstreit

Mehrere bekannte Wissenschaftler schreiben aus Protest nicht mehr für das Fachmagazin «Vaccines». Grund ist eine umstrittene Studie zur Impfstoffsicherheit.

, 2. Juli 2021 um 05:15
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In der Studie steht, dass wir für drei durch Impfung verhinderte Todesfälle zwei durch Impfung zugefügte Todesfälle akzeptieren müssten. | Pixabay   
Fast ein Dutzend renommierte Forscher haben seit vergangenem Freitag ihre Position als Redaktor oder Redaktorin der Fachzeitschrift «Vaccines» niedergelegt. Darunter sind Virologen oder Impfstoff-Forschende wie Florian Krammer, Virologe an der Icahn School of Medicine in Mount Sinai und Katie Ewer, Immunologin am Jenner Institute der Universität Oxford. Ewer war im Team, das den Astrazeneca-Impfstoff entwickelt hat. 
Diane Harper, eine Epidemiologin an der Uni Michigan und ehemalige Chefredaktorin bei der Gründung von «Vaccines», trat ebenso zurück wie Paul Licciardi, Immunologe am Murdoch Children's Research Institute in Australien und Andrew Pekosz, ein Virologe an der Bloomberg School of Public Health der Johns Hopkins Universität.

Zeitschrift handelt «grob unverantwortlich»

Mit dem Verlassen des Gremiums protestieren die Wissenschaftler gegen eine Studie, in der behauptet wird, dass Covid-19-Impfstoffe töten. Der besagte «Peer-Review-Artikel» wurde am 24. Juni 2021 im Fachmagazin «Vaccines» veröffentlicht. Darin ist die Schlussfolgerung zu lesen, dass wir für drei durch Impfung verhinderte Todesfälle zwei durch Impfung zugefügte Todesfälle akzeptieren müssten. 
«The number of cases experiencing adverse reactions has been reported to be 700 per 100,000 vaccinations. Currently, we see 16 serious side effects per 100,000 vaccinations, and the number of fatal side effects is at 4.11/100,000 vaccinations. For three deaths prevented by vaccination we have to accept two inflicted by vaccination.»
«Die Daten wurden missbraucht, weil sie die (falsche) Annahme machen, dass alle Todesfälle nach der Impfung durch Impfungen verursacht werden», schrieb Katie Ewer laut Zeitschrift «Science» in einer E-Mail. «[Und] es wird jetzt von Impfgegner und Covid-19-Leugnern als Beweis dafür verwendet, dass Covid-19-Impfstoffe nicht sicher sind. [Dies] ist grob unverantwortlich, insbesondere für eine Zeitschrift, die sich auf Impfstoffe spezialisiert hat.»

Psychologe, Physiker und Datenwissenschaftler

Keiner der Autoren des umstrittenen Papers ist in Vakzinologie, Virologie oder Epidemiologe qualifiziert ausgebildet. Darunter Harald Walach, ein klinischer Psychologe und Wissenschaftshistoriker, der sich selbst als Gesundheitsforscher an der Medizinischen Universität Posen in Polen bezeichnet. Weitere Autoren sind Rainer Klement, Physiker, der unter anderem ketogene Diäten in der Krebsbehandlung untersucht und im Bereich Radioonkologie am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt arbeitet. Auch Wouter Aukema, ein unabhängiger Datenwissenschaftler aus den Niederlanden, gehört zum Autorenteam. Die Forscher verwendeten Daten aus Israel und aus den Niederlanden.

Walach Harald, Rainer J. Klement, Wouter Akema: «The Safety of COVID-19 Vaccinations—We Should Rethink the Policy», in: Vaccines, 24. Juni 2021

Zeitschrift will neue Beurteilung

Die drei Peer-Reviewer des Papiers, zwei davon anonym, übten in diesen kurzen Beiträgen keine wesentliche Kritik an der Methodik der Studienautoren. Inzwischen haben aber die Verantwortlichen der Open-Access-Zeitschrift aber Bedenken hinsichtlich einer Fehlinterpretation der Daten angemeldet – und eine Neubeurteilung der Analyse eingeleitet. Die Aussage, dass diese Todesfälle im Zusammenhang mit Impfbemühungen ständen, sei falsch und verzerrt, steht in der «Expression of Concern» zu lesen.
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