Herr Napierala, es ist kein Geheimnis, dass Medbase weiter wachsen will. Wo werden Sie die nächsten Medizinischen Zentren eröffnen?
Aktuell stehen viele Projekte an bestehenden Standorten im Vordergrund. Zum Beispiel planen wir den Umzug unseres ganzen Zentrums in
Zürich Oerlikon. Damit wir überall eine gute Infrastruktur bieten können, ist unsere Organisation konstant gefordert.
Jetzt lenken Sie ab.
Wir kommunizieren gern, wenn wir konkrete Neueröffnungen oder Weiterentwicklungen mitzuteilen haben, aber wir wollen auch nicht unnötig Unruhe schaffen.
Bekannt ist, dass Medbase ein grosses Medizinisches Zentrum in Lausanne plant.
Ja, dort werden wir in diesem Jahr im Hauptbahnhof einen Standort eröffnen. Und im Genfer Bahnhofs-Projekt
Pont-Rouge ist auf Ende 2019 oder Anfang 2020 ein Zentrum geplant. Dort sehen wir eine Fläche von 1'000 Quadratmetern vor.
Marcel Napierala
Marcel Napierala war 2001 einer der Mitgründer eines Sportmedizinischen Zentrums in Winterthur. — Der ausgebildete Physiotherapeut arbeitete ab der Lancierung als Geschäftsführer des Unternehmens, aus dem 2007 Medbase wurde; zugleich studierte er Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz. — Heute ist er CEO und Vorsitzender der fünfköpfigen Medbase-Geschäftsleitung.
Das passt: Als Medbase Ende 2015 das Santémed-Netzwerk übernahm, kündigten die Partner an, dass die Romandie und das Tessin ein Schwerpunkt der Entwicklung sein sollen. Das ist zweifellos ein Thema. Aber wir expandieren gewiss nicht auf Teufel komm raus in einen bestimmten geographischen Raum. Wir denken national und handeln regional. Es gäbe ja auch im Mittelland noch Gegenden, wo Medbase kaum präsent ist. Wichtig bei so einem Entscheid ist immer, dass wir gute Partner und Mitarbeitende an Bord holen können.
Das hört man auch von anderen Grundversorgern: Wohin man geht, hängt stark davon ab, wo man gute Ärzte findet. Das sehen Sie auch so?
Ja. Gute Ärzte, gute Therapeuten, gute Mitarbeitende – das ist unser Gut. An Patienten fehlt es indessen nicht.
Es war mehr als eine Opportunität. Das Zusammenführen des ambulanten und des stationären Marktes ist heute ein entscheidendes Thema im Gesundheitswesen. Die integrierte Versorgung wird sich verändern – wir werden wohl stärker mit Kliniken zusammenarbeiten dürfen. Und das Team der Zürcher Permanence hat hier einiges vorgemacht.
«Die integrierte Versorgung wird sich verändern – wir werden wohl stärker mit Kliniken zusammenarbeiten dürfen»
Es hat in den letzten zwanzig Jahren gezeigt, wie man eine Notfallversorgung in der ambulanten Medizin entscheidend mitprägt. In der Stadt Zürich übernimmt die Permanence heute einen Drittel der Notfallversorgung: Das ist faszinierend. Es geht uns also auch auf strategischer Ebene darum, etwas über eine Form der effizienten Notfallversorgung zu lernen.
Medbase-Zentrum in Greifensee | PD
Medbase ist mit über 40 Medizinischen Zentren und einem halben Dutzend weiterer therapeutischen Zentren ein führender Anbieter von ambulanter Medizin in der Schweiz; letztes Jahr erreichte der Umsatz 138 Millionen Franken (+5,5 Prozent). — Das Unternehmen, eine Tochter der Migros, beschäftigt über 1'000 Mitarbeitende. Kernidee von Medbase ist es, Gesundheitsvorsorge, Akutbetreuung und Rehabilitation zu verbinden.
Ende Dezember gaben Sie bekannt, mit der Spitalgruppe STS im Berner Oberland ein Joint Venture zu gründen. Gemeinsam wollen Sie eine «Integrierte Gesundheitsregion Berner Oberland» entwickeln und Medical Centers lancieren. Was planen Sie da konkret? In den Städten kann jeder ein Angebot zur ambulanten Versorgung aufziehen, während es in Randgebieten eine grosse Herausforderung ist. Und diese Herausforderung wird in den nächsten Jahren immer grösser. Es ist schwierig geworden, Hausärzte für ein kleines Tal im Oberland zu gewinnen, weil jeder weiss, dass dort eine 42-Stunden-Woche kaum möglich sein wird. Nun wollen wir mit dem Spital Thun gemeinsam Antworten entwickeln, gerade für solche Regionen.
«Wir engagieren uns, auch Gebiete abzudecken, die niemand sonst betreuen will»
Die Versorgung besteht immer aus einer guten hausärztlichen Versorgung – ergänzt durch ein Spital und weiteren wichtigen Akteuren im Gesundheitswesen wie etwa die Spitex. Gemeinsam wollen wir jetzt quasi auf der Landkarte heraussuchen, wo die wichtigen Knotenpunkte sind und wie man dafür gemeinsam Ärzte gewinnen kann.
Sie planen bereits ein erstes Projekt mit STS – in Erlenbach im Niedersimmental. Wie läuft die Zusammenarbeit jetzt dort konkret?
Wir von Medbase übernehmen das Management und den fachlich-inhaltlichen Lead. Die Spital STS wird uns hervorragend ergänzen, insbesondere durch ihre spezialisierten Dienstleistungen.
Was ist aber Ihre Exklusivität bei STS? Letztlich können auch andere Ärztenetzwerke in der Gegend aktiv sein – und auch sie sind Zuweiser für STS.
Gewiss. Eine Exklusivität gibt es nicht. Aber wir engagieren uns, Gebiete abzudecken, die niemand sonst betreuen will. Dass das klappt, werden wir beweisen müssen. Aber es hängt auch von anderen ab: Wir möchten stets weitere Organisationen, die Gemeinden und andere Ärzte auf die Reise mitnehmen. Medbase ist ein Unternehmen, aber wir denken in Netzwerken.
Gibt es Zahlen, haben Sie konkrete Ziele? Wie viele Medical Centers wollen Sie mit STS im Oberland eröffnen?
Schwierig zu sagen. Wir suchen zuerst sinnvolle Angebote, bei denen wir uns mit bestehenden Praxen verbinden können; Orte, an denen wir etwas weiterführen können. Zahlen lassen sich da noch nicht nennen.
Medbase hat traditionell einen Fokus auf die Prävention sowie auf die Sportmedizin. Es war wohl auch kein Zufall, dass Sie Ende 2016 das Checkup Center in Zürich übernahmen. Geht Ihre Gesamtentwicklung weiter in diese Richtung? So einfach ist das nicht. Tatsächlich kommt bei der integrierten Versorgung die Prävention definitiv zu kurz. Die Grundidee von Medbase ist, Prävention mit einer guten Grundversorgung und mit Rehabilitation zu verknüpfen. Diese Idee hat mich als Physiotherapeut immer fasziniert; als Ökonom sehe ich, dass wir hier in Bereichen sind, wo die Margen eher tief ausfallen. Insgesamt aber hat unsere Idee sehr viel zu tun mit einer modernen integrierten Versorgung.
Sind Gruppenpraxen nicht auch Kostentreiber?
Die berühmte Aussage von Santésuisse…
Genau.
Bei solchen Aussagen fragt es sich immer, wie und was man misst. In unseren Zentren haben wir Hausärzte, Fachärzte, paramedizinische Berufsgruppen und so weiter. Entscheidend ist also, welchen Aspekt jemand herauspickt. Misst man wirklich die gesamten Systemkosten? Oder misst man einfach die Kosten, die in einer konkreten Gruppenpraxis anfallen? Wenn ein Hausarzt einen Patienten an einen Facharzt oder an ein Spital überweist, fallen die Zahlen anderswo an, als wenn alles in ein und derselben Gruppenpraxis oder im selben medizinischen Zentrum stattfindet.
«Ich weiss, dass wir sehr kostenbewusst sind»
Santésuisse stellte einfach summarisch fest, dass die Behandlungskosten bei allen Gruppenpraxen in den letzten Jahren überdurchschnittlich gestiegen sind. Dies muss man ins Verhältnis stellen zu den Leistungen, die dort erbracht werden. Wenn entsprechend weniger Kosten auf anderen Ebenen anfallen – etwa bei einem Spezialisten, zu dem ein Patient sonst gegangen wäre –, dann sieht es wohl anders aus. Ich kenne jedenfalls unsere Zahlen. Und ich weiss, dass wir sehr kostenbewusst sind. Managed Care muss das zwangsläufig sein, sonst bekommen wir keine Beiträge von den Kassen. Bei Medbase haben wir etwa 200'000 Managed-Care-Patienten.
Sie sind der Marktleader im Bereich der ambulanten Gesundheitszentren. Wie weit kann man da die Synergien treiben? Wieviel Potential bietet Grösse in einem Feld, das in seinem Kern immer persönlich ist?
Die Frage führt uns direkt zur Digitalisierung. Im Gesundheitswesen hat heute jeder Prozess einen analogen Start und ein analoges Ende. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz können also immer nur Unterstützung sein, nicht mehr. Ich denke aber, dass diese Entwicklung auch mehr Zeit freischaufeln kann für die menschliche Interaktion. Für mich ist es völlig klar, dass wir bei der Administration noch viel industrialisieren müssen. Unsere Branche steht da erst am Anfang.
Aber das heisst eben auch: Sie als sehr grosser Player haben da einen Vorteil, der Ihnen speziell nützt.
Grösse kann nützlich sein. Das ist sie auch beim Einkauf oder bei der Qualitätsarbeit. Wir investieren jährlich 1,5 bis 2 Millionen Franken in Qualitätsarbeit – etwa in Fortbildungen, Qualitätszirkel und weitere Themen. Und es ist nun mal so, dass ein kleiner Player diese Möglichkeiten weniger hat.
Hinter Ihnen steht ja noch etwas Grösseres, die Migros. Was bedeutet das? Täuscht das Gefühl, oder möchten Sie das gar nicht so an die grosse Glocke hängen?
Es bedeutet, dass wir einen sehr stabilen Aktionär haben: Migros ist ein traditionsreiches Haus, und sie ist ein Haus mit Werten. Migros ist keine gewinnmaximierende Organisation. Und Migros bedeutet, dass wir dank der Skalierung die Chance haben, etwas zu bewegen. Das Schöne ist, dass sie uns zugleich selber arbeiten lässt. Migros versucht nicht, uns ihre Organisationsmodelle oder Prozesse aufzudrücken.
Kann man sich aber vorstellen, dass das noch mehr zusammenwächst? Etwa als Fernvision, wo wir Medbase-Zentren, M-Fitness-Zentren und angeschlossene Zur-Rose-Apotheken-Shops haben – mit der Migros-Gesundheits-Site «Impuls» als gemeinsamer Plattform? Medbase war von Anfang an verbunden mit den Fitnesszentren der Migros. Der «One-Stop-Service» war auch von Beginn weg Teil der Idee. Es ist klar, dass die Schnittstelle zwischen dem ersten und dem zweiten Gesundheitsmarkt sehr interessant ist. Wir arbeiten seit Beginn genauso mit gesunden Kunden wie mit erkrankten Patienten.
Wie ist es auf dem Arbeitsmarkt, etwa bei Ärzten? Ist die Verbindung zur Migros da eher ein Plus oder eher ein Minus?
Ein Nachteil ist es gewiss nicht. Aber wir stellen es nicht ins Zentrum unserer Arbeitgeber-Kommunikation, dass wir zur Migros gehören. Medbase soll sich als Medbase profilieren und mit guten Konditionen gewinnen – etwa mit attraktiven Arbeitszeitmodellen. Und dann kommt hinzu, dass wir dank der Migros beispielsweise eine sehr gute Pensionskassen-Lösung haben. Hier greift die Skalierung natürlich schon.