Herr Cmiljanovic, Sie entwickeln einen Impfstoff der zweiten Generation, mit welchem Sie die Pandemie besiegen wollen. Er soll wirksamer und sicherer sein. Haben Sie sich trotzdem mit einem mRNA-Vakzin impfen lassen?
Ich habe mich – und übrigens auch meine zwölfjährige Tochter – impfen lassen. Bis unser Impfstoff auf den Markt kommt, dauert es noch eine Weile. Ich wollte uns für diese Zeitspanne schützen.
Bedeutet das, dass die Impfstoffe der ersten und der zweiten Generation kombinierbar sind?
Unser Impfstoff RVX-13 ist ein sogenannter Booster, der jedoch eine viel grössere Immunantwort in unserem Körper auslösen wird als die Impfstoffe der ersten Generation. Das wird dazu führen, dass wir über eine längere Frist und ohne Nebenwirkungen gegen Covid geschützt sind.
Die mRNA-Impfstoffe haben teils recht gravierende Nebenwirkungen und weisen eine kurze Wirksamkeit auf – in vielen Ländern wird bereits mit einer dritten Dosis aufgefrischt. Werden sich die mRNA-Impfstoffe nicht auf Dauer etablieren?
Die mRNA-Impfstoffe werden meiner Meinung nach nicht ewig halten; irgendwann lassen sie potenziell ganz nach, da das Virus weiterhin mutieren und eine Diversität von neutralisierenden Antikörpern benötigen wird. Trotzdem ist es sehr wichtig, dass wir sie zur Verfügung haben: Sie haben hunderttausende Menschenleben gerettet. Doch auch wenn es sich um einen guten Impfstoff handelt, wird er sich längerfristig nicht etablieren können, um die Pandemie zu beenden – das ist meine persönliche Meinung. Das heisst aber nicht, dass sich die Menschen nicht weiterhin impfen lassen sollen!
Gut gegen das Sars-CoV-2-Virus gewappnet ist man aber auch, wenn man genesen ist. Das sagt unter anderem die deutsche Gesellschaft für Virologie.
Unsere internen und noch nicht publizierten Daten zeigen, dass nach sechs Monaten nach einer natürlichen Infektion ein Boosting mit einer Dosis des mRNA-Impfstoffs einen optimalen Schutz gegen die Delta-Variante bietet. Der Grund dafür ist vermutlich eine immer noch aktive T-Zellen Antwort durch die natürliche Infektion verstärkt mit den Spikeantikörpern produziert durch den Impfstoff.
Inzwischen wissen es auch die Schulkinder: Die Viren werden weiter mutieren. Wie wollen Sie der Sars-CoV-Familie den Garaus machen?
Wenn man einen Impfstoff der zweiten Generation baut, muss man sich überlegen, was man besser machen kann als bei der ersten. Wir werden hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit neue Massstäbe setzen. Die mRNA- und Vektorimpfstoffe führen dazu, dass unser Immunsystem die Antikörper gegen die viralen Spikeproteine produziert. Damit wird die Penetration der Viren in die gesunden Zellen blockiert. Diese Spikeantikörper wirken perfekt gegen die Wuhan-Variante; mit jeder Mutation beziehungsweise Veränderung am Spikeprotein lässt die Wirksamkeit der erwähnten Impfstoffe allerdings nach, da die Interaktion Spikeprotein-Spikeantikörper abgeschwächt wird. Unser Impfstoff wird unabhängig von diesen Spikeproteinen sein. Das machen wir so, indem wir ein abgeschwächtes Coronavirus nachbauen, das auch gegen allfällige Mutationen des Spikeproteins gewappnet ist.
Können Sie das genauer erklären?
Wir können im Labor mittels einer neuen DNA-Technologie ein vollständiges DNA-Genom des Coronavirus herstellen und dieses in RNA umwandeln, um die kontrolliert abgeschwächten Viruspartikel zu produzieren. Allerdings kastrieren wir dieses, etwas salopp ausgedrückt: Unserem Virus wurde bei der Herstellung ein wichtiges Protein, mit dem es sich in menschlichen Zellen vermehrt, weggenommen. Damit wollen wir dem Immunsystem ein ganzes Sars-CoV-2-Virus präsentieren. Dieses dringt dann in die Zelle ein, kann sich dort aber nicht replizieren.
«Wir entwickeln einen Impfstoff, der alle wichtigen immunogenen Merkmale des Coronavirus enthält, sich aber nicht vermehren kann. Das macht ihn sicher und wirksam auch gegen allfällige Mutanten.»
Kurz zusammengefasst: Im Gegensatz zu den mRNA- und Vektorimpfstoffen, die über einen Bauplan für einen bestimmten Bestandteil des Coronavirus verfügen, handelt es sich bei Ihrem Vakzin um einen Lebendimpfstoff, der ohne Lipidhülle und anderen Adjuvanten in die Zelle gelangt. Was geschieht danach im Körper?
Die echten aber abgeschwächten Viren werden eine Infektion ohne Nebenwirkungen auslösen und dazu führen, dass das Immunsystem neutralisierende Antikörper und Immunzellen produziert. So wird das Immunsystem optimal trainiert, damit es bei einer echten Infektion bereit für den Kampf ist. Historisch gesehen, waren das immer die besten Impfungen. Ein Beispiel ist die Masern-Impfung. Die T-Helfer- und die T-Killer Zellen-Antwort gibt es nur, wenn die Zellen infiziert wurden. Mit der T-Zellen-Antwort haben wir einen längeren Impfschutz. Und weil es keine Adjuvanten in unserem Impfstoff hat, gehen wir davon aus, dass er keine Allergien auslösen wird. Wie lange die Wirkung anhalten wird, wissen wir noch nicht genau; wir gehen von zwei Jahren aus.
Ihr Impfstoff ist genbasiert – er wird mit einer DNA-Technologie hergestellt. Impfskeptiker behaupten, dass diese Impfstoffe in den Zellkern gelangen und die Genetik des Menschen verändern.
Impfskeptikern würde ich folgende Gegenfragen stellen: Weshalb werden Masernimpfstoffe und die Polioimpfstoffe akzeptiert? Diese Krankheiten wurden mit dem Virus-Vakzin mehr oder weniger eliminiert. Weshalb impfen sich Menschen, die nach Afrika reisen, mit dem Gelb-Fieber-Vakzin? Diese drei Impfstoffe haben eine Gemeinsamkeit mit unserem Impfstoff: es sind alles Lebendimpfstoffe, die eine stärkere Immunantwort als Totimpfstoffe auslösen und meist ein Leben lang anhalten. Es handelt sich bei allen Impfstoffen um RNA- und nicht um DNA-Viren. RNA-Viren gelangen nicht in den Zellkern. Das verstehen die Impfskeptiker offenbar nicht. Das gilt übrigens auch für den Impfstoff von Moderna, der ebenso genbasiert ist: mRNA steht für «messenger», RNA für Ribonukleinsäure – eine chemische Verbdingung in Körperzellen. mRNA gelangt nicht in den Zellkern. Wie erwähnt, glauben wir daran, dass wir die Pandemie mit unserem Impfstoff beenden können.
Was macht Sie da so sicher?
Wir entwickeln einen Impfstoff, der alle wichtigen immunogenen Merkmale des Coronavirus enthält, sich aber nicht vermehren kann. Das macht ihn sicher und wirksam auch gegen allfällige Mutanten. Das ist im Moment leider nicht die Situation mit den Impfstoffen der ersten Generation. Hinzu kommt, dass RVX-13 keine künstliche Lipideinkapselung benötigt und deshalb weder Lagerungs- oder Transportbedingungen bei sehr niedrigen Temperaturen benötigt. Und weil die Viruspartikel bei Raumtemperatur stabil sind, kann der Impfstoff überallhin geliefert werden, sei es nach Afrika oder Südamerika.
Das macht alles Hoffnung. Sie befinden sich in der präklinischen Phase. Der Weg zum Ziel ist noch lang. Wie sieht der aktuelle Zeitplan von RocketVax aus?
Wir forschen hinsichtlich der genauen und optimalen Dosierung an Mäusen und anderen Tieren. Die Tests sehen sehr positiv aus. Damit erreichen wir einen Meilenstein. Der zweite Meilenstein ist die Produktion. Wir wollen die ganze Welt mit dem Impfstoff beliefern. Um die Herstellung des Impfstoffs für die klinischen Studien zu ermöglichen, haben wir deshalb für die grössere Produktion eine Partnerschaft mit Firma Batavia aus Holland abgeschlossen. Weil wir neulich Probleme mit der Produktion hatten, verschiebt sich unser Zeitplan allerdings etwas.
Konkret?
Wir werden nicht wie geplant im Januar mit der Phase 1 der klinischen Studien beginnen können, sondern eher im April/Mai. Die Idee ist, dass wir genug Menschen in die Phase 1 und 2 der klinischen Studien integrieren können, damit wir gegen Ende 2022/Anfang 2023 weltweit das beschleunigte Verfahren für die Zulassung bei den entsprechenden Behörden einreichen können. Wir werden die Pandemie mit RVX-13 beenden und ich werde mich als erster impfen lassen.
Über Vladimir Cmiljanovic
Vladimir Cmiljanovic ist verheiratet und hat vier Kinder. Der 41-Jährige ist Serienpharma-Unternehmer, Medizinalchemiker und Krebsforscher mit mehr als fünfzehn Jahren Erfahrung in der onkologischen Arzneimittelentwicklung. Er ist Co-Autor zahlreicher wissenschaftlicher Artikel und Abstracts und Erfinder von vier Patentfamilien mit mehr als 400 registrierten Patenten.
- Zusammen mit seiner Schwester Natasa hat er 2007 an der Universität Basel das Krebs-Medikament Bimiralisib (PQR309) mitentdeckt. Für seinen wissenschaftlichen Beitrag auf dem Forschungsgebiet erhielt er 2009 den Camille und Henry Dreyfus Award der Universität Basel und 2011 das Exzellenzstipendium für Lebenswissenschaften von Novartis und der Universität Basel.
- 2010 gewann Cmiljanovic den Swiss Venture Kick für die Ausarbeitung der Piqur-Geschäftsidee. 2011 gründete er die Firma Piqur Therapeutics AG als Spin-off der Universität Basel, um Bimiralisib zu entwickeln. 2014 gewann der Firma den Jungunternehmerpreis der Nordwestschweiz und 2015 den Preis des Swiss Economic Forum.
- 2016 gründete Cmiljanovic die TargImmune Therapeutics AG; ein Biotechnologieunternehmen, das sich auf auf Krebszellen ausgerichtete Immuntherapien konzentriert und für das er 22 Millionen USD an Startkapital beschaffte.
- Das Biotech-Zentrum Swiss Rockets, Cmiljanovics jüngstes Unternehmen, wurde 2018 gegründet. Swiss Rockets will die fortschrittlichsten und effektivsten Technologien im Kampf gegen Krebs mit Methoden und Techniken der Krebsprävention kombinieren.
- Cmiljanovic war Profi-Handballer und Nationalspieler für Serbien.
Bildergalerie aus dem RocketVax Labor:
(Sie können mit dem weissen Pfeil rechts im Bild switchen.)
Hier entsteht der Impfstoff der zweiten Generation RVX-13. (zvg)
RocketVax: Das Schweizer Biotech-Startup in Basel
RocketVax AG ist ein Schweizer Biotech-Startup mit Sitz in Basel und wurde im Jahr 2020 gegründet. Das Unternehmen basiert auf der Verbindung der Swiss Rockets AG, einem Inkubator und «Accelerator» für Schweizer Startups, mit der Gigabases Switzerland AG, einem Spin-off der ETH Zürich, und einem Team von Experten der Universität Basel, der Universität Zürich, der ETH Zürich, des Universitätsspitals Basel und des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts in Basel.
Bei RocketVax werden proprietäre molekularbiologische und chemische Technologien verwendet, um neuartige Impfstoffe zu entwickeln. Das erste Produkt ist der Impfstoff gegen Sars-CoV-2 «RVX-13». Zu den elf Experten aus Immunologie und Virologie gehören etwa Professor Marcel Tanner, ehemaliges Mitglied der Corona-Taskforce, oder Professor Thomas Klimkait, Virologe an der Uni Basel.