Rabatte und Teleradiologie: Spitäler in der Kritik

Gleich zwei grosse Medienhäuser machen Abrechnungs-Optimierungen von Spitälern zum grossen Thema. Vor allem Hirslanden gerät ins Visier.

, 16. Dezember 2024 um 09:56
image
Kann auch in Deutschland oder Ungarn gemacht werden: KI-Symbolbild Teleradiologie. |  Medinside, made with Midjourney.
«Gesetzeslücke ausgenützt: Spitäler und Praxen lassen Röntgenbilder im Ausland auswerten – rechnen aber zu Schweizer Tarifen ab». Dies melden am Montag die Zeitungen von CH Media, also beispielsweise die «Aargauer Zeitung», die «Luzerner Zeitung» oder das «Tagblatt» in St. Gallen.
«Mit einem dreisten Trick schröpfen Spitäler die Prämienzahlenden»: So titeln am Montag die Zeitungen von Tamedia, also beispielsweise «Tages-Anzeiger», «Berner Zeitung» oder auf französisch die «Tribune de Genève».
Hier geht es um den Unterschied zwischen Listenpreis und Nettopreis, den Spitäler und Praxen ausweisen und auch ausnutzen können. Laut einer tarifvertraglichen Regelung dürfen sie seit 2021 bis 49 Prozent der Rabatte bei der Beschaffung von Medizinprodukten im ambulanten Bereich behalten – und müssen den Rest den Kassen weiterreichen. Eine Bedingung: Das so gewonnene Geld muss «nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden», so der entsprechende Rahmenvertrag.
Die Tamedia-Redaktion erhielt nun eine vertrauliche Händlerliste, die grosse Unterschiede auswies: Bei zwanzig Medizinprodukten lag der Listenpreis um ein Vielfaches über dem Nettopreis.
Auf den Lieferscheinen tauchen jeweils Nettopreise und die deutlich höheren Listenpreise auf; sie zeigen also ein grosses Potential für Rabatte. Zugleich zeigen «Tages-Anzeiger» u.a. mit Belegen von Spitalrechnungen, dass die Verrechnungspreise für identische Implantate dadurch sprunghaft gestiegen sind.

Alles einbehalten?

Speziell erwähnt wird Hirslanden. Die Gruppe habe dieses Jahr «in vielen Fällen nicht 49 Prozent des enormen Unterschieds zwischen Listen- und Nettopreises für sich [behalten], sondern gleich 100 Prozent.»
Dazu erklärt die Privatklinik-Gruppe, dass die Listenpreise von den Lieferanten ohne Einfluss von Hirslanden bestimmt würden. Man habe aber soeben eine externe Kanzlei mit einer Untersuchung beauftragt. «Diese ermittelt aktuell in einem detaillierten Prüfverfahren, ob es bei der Umsetzung der vertraglich vorgesehenen Einbehaltung von Vergünstigungen und der Rechnungsstellung zu Fehlern gekommen ist».
Zudem weist Hirslanden darauf hin, dass man den Aspekt der Qualität berücksichtigt habe: «Hirslanden habe von 2021 bis März 2024 sämtliche Vergünstigungen im Bereich Medizinprodukte an die Krankenversicherer weitergegeben, gleichzeitig aber allein 2023 über 18 Millionen Franken in Qualitätsmassnahmen investiert. Das habe man ab März 2024 mit den einbehaltenen Vergünstigungen kompensiert», so der Tamedia-Bericht.
  • «Von einem System zu sprechen, entbehrt jeglicher Grundlage». Zweigen Spitäler Rabatte für sich selber ab? Die Stellungnahme des Spitalverbands H+.
Um die Einkaufs-Optimierung dreht sich auch die Kritik aus den CH-Media-Zeitungen. Die Teleradiologie ermöglicht es zunehmend, die Auswertung von CT-, MRI- und Röntgenbildern zentral zu erbringen. Dies wiederum hat eine weitere Folge: nämlich dass Privatspitäler und Radiologieinstitute die Daten nach Deutschland, Frankreich oder Ungarn senden, um sie dort befunden zu lassen – natürlich zu günstigeren Preisen. Die verrechneten Tarife entsprechen aber dem Schweizer Standard.
Konkret nennt die CH-Media-Recherche erneut Hirslanden sowie Emergency Radiology Schueller. Hirslanden habe «in 2 von 17 Radiologie-Instituten externe Partner angestellt …, bei denen nicht ausgeschlossen ist, dass sie auf internationale Teleradiologie setzen», heisst es. Emergency Radiology Schueller wiederum stellt klar, dass das Engagement im Ausland keine Qualitätseinbusse bedeutet: «Alle unsere Radiologen sind gemäss der EU-Qualifikationsnachweisverordnung zur Berufsausübung in der Europäischen Union berechtigt und sind zudem in der Schweiz durch die Medizinalberufekommission des Bundesamts für Gesundheit approbiert».
Zudem stellt das BAG klar, dass der Einkauf von Radiologie-Fachwissen im Ausland ohnehin legal ist: «Vom Strahlenschutzrecht her gibt es dafür keine Auflagen», so BAG-Mediensprecher Daniel Dauwalder in CH-Media.

  • Gesundheitskosten
  • santésuisse
  • Radiologie
  • Hirslanden
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Ihre Ideen sind gefragt: Wie spart man 300 Millionen pro Jahr?

Beim ersten «Runden Tisch» des Gesundheitswesens setzten die Akteure ein Sparziel, das ab 2026 gelten soll. Dazu soll auch die Bevölkerung kreativ beitragen.

image

Idee: Eine «fünfte Säule» für die Langzeit-Pflege

Die Denkfabrik Avenir Suisse schlägt ein Pflege-Sparkonto im Stile der Pensionskassen vor. Die angesparte Summe würde die Belastung von Krankenkassen und Staat senken – und könnte auch vererbt werden.

image

Die Effizienz-Liste: So unterscheidet sich der Verwaltungs-Aufwand der Krankenkassen

Die Kosten für die Kassen-Administration stiegen innert fünf Jahren um 20 Prozent – und innert zwei Jahrzehnten haben sie sich fast verdoppelt.

image

Krankenkassenprämien steigen nächstes Jahr um 6 Prozent

Der Zuwachs liegt damit sogar höher als von Experten befürchtet. Und höher als in den Vorjahren.

image

«Es fehlt der Wille, veraltete Leistungen konsequent zu streichen»

Ist der Leistungskatalog der Krankenkassen zu locker? Der Nationalrat findet nicht. Er lehnte eine Motion gegen unwirksame Behandlungen ab.

image

Starthilfe bar auf die Hand: Deals zwischen Labors und Ärzten kosten Millionen

Während Labors die Mediziner mit Kickbacks belohnen, steigen die Kosten für Laboranalysen.

Vom gleichen Autor

image

Erstes Qualitätslabel für Physiotherapie-Praxen

Der «PhysioCert»-Standard wurde von der Organisation SwissOdp erarbeitet. Nun können die ersten Praxen die Urkunde bei sich aufhängen.

image

Geriatrische Klinik St. Gallen: Neue Chefärztin

Birgit Schwenk wird damit auch Chefärztin Akutgeriatrie des neuen St. Galler Spitalunternehmens «Hoch Health Ostschweiz».

image

Notfallpauschalen: Politiker machen Druck auf Versicherer

Im Ständerat fordert eine erste Motion höhere Tarife für Notfalleinsätze und Permanencen.