Die Aufgabe ist recht genau eingegrenzt: Es geht um sämtliche Todesfälle in der Herzchirurgie des Universitätsspitals Zürich, Zeitraum: 2016 bis 2020. Ein unabhängiges Experten-Gremium, bestehend aus medizinischen Spezialisten und verstärkt durch Juristen, soll die Fälle analysieren; die Task Force arbeitet frei und soll am Ende auch selber entscheiden, wie sie ihre Ergebnisse zugänglich macht – und ob sie beispielsweise Hinweise an die Staatsanwaltschaft weiterleitet.
Diesen Entscheid gaben André Zemp, der Präsident des USZ-Spitalrats, Monika Jänicke, die CEO, und Omer Dzemali, der Leiter der Herzchirurgie-Klinik, am Mittwoch bekannt.
«Wir können die Aufarbeitung der Vorkommnisse in der Herzchirurgie nicht als abgeschlossen betrachten», erklärte Zemp. Es sei dem neuen USZ-Leitungsteam zwar gelungen, «die Klinik für Herzchirurgie wieder auf eine solide Basis zu stellen.» Aber man müsse auch sicherstellen, dass sich die Ereignisse nicht wiederholen. Und es gehe um Glaubwürdigkeit.
Patientengefährdung: Ja oder nein?
Im Hintergrund steht, dass seit mittlerweile vier Jahren immer wieder schwerwiegende Vorwürfe auftauchen, welche die USZ-Klinik für Herzchirurgie zwischen 2016 und 2020 in ein kritisches Licht stellen. Berichtet wurde von einer erhöhten Mortalität; der damalige Klinikleiter Francesco Maisano habe sein Amt genutzt, um eigene Devices zu fördern; die Rede war von wissenschaftlicher Unsauberkeit und falschen Berichten; und vor allem herrschte in der Klinik eine Kampfkultur mit zwei zerstrittenen Lagern.
Monika Jänicke, André Zemp und Omer Dzemali im Mediengespräch | Bild: Medinside
Doch das Thema flammte jüngst erneut auf. Am 19. April bezeichnete Maisanos Nachfolger Paul Vogt bei einer Gerichtsverhandlung die Lage in der Herzchirurgie zwischen 2016 und 2020 als «Desaster»; er deutete an, dass zu viele Todesfälle geschahen und unter den Tisch gewischt wurden.
«Es steht im Raum, dass sehr viele Todesfälle nicht stattfinden hätten müssen, und dem möchten wir nachgehen», sagte Spitalpräsident Zemp jetzt. Er verneinte aber, dass die Task Force kurzerhand aufgestartet wird, weil die Aussagen von Herzchirurg Paul Vogt neuen Druck schufen: «Für uns ist wichtig, dass man Vergangenheit aufarbeitet», so Zemp, «und die hohe Mortalität war immer wieder ein Thema.»
«Ein erster Schritt»
Auf dem Aufgabenzettel der Taskforce stehen derzeit nicht Sub-Themen wie Mängel beim Reporting, Compliance-Probleme oder andere medizinische Komplikationen in den kritischen Jahren. Die Untersuchung aller Todesfälle sei ein «erster Schritt», sagte Omer Dzemali, «dann werden wir die weiteren Schritte planen.»
Sollten die Recherchen mehr Probleme ans Licht bringen, «dann wird man es anschauen», so André Zemp.
Die Mitglieder der Kommission wurden noch nicht bestimmt. Es sollen aber Experten aus dem Ausland sein. «Wir sind gerade am Evaluieren, wie wir das zusammenstellen», sagte CEO Monika Jänicke: «Es gibt im Ausland unabhängige Kommissionen, die sich mit Todesfällen befassen – so etwas schwebt uns vor.» Ziel sei, die Task Force bis zum dritten Quartal dieses Jahres aufzustellen.
Francesco Maisano wollte auf Anfrage keinen Kommentar abgeben; er ist seit drei Jahren Direktor der Abteilung für Herzchirurgie sowie des Herzklappenzentrums am IRCCS Ospedale San Raffaele in Mailand.