Am Universitätsspital Zürich fahndet eine Kommission derzeit nach Problemen, Unsauberkeiten und Todesfällen, die in der Herzchirurgie-Klinik zwischen 2016 und 2020 geschehen sein könnten. Bis das Gremium unter dem ehemaligen Bundesrichter Niklaus Oberholzer seinen Bericht vorlegt, will sich das USZ nicht mehr äussern zum so genannten «Fall Maisano».
Doch jetzt bohren knapp 30 Mitglieder des Zürcher Kantonsrats aufs Neue nach: Per Interpellation fordern sie vom Regierungsrat weitere Antworten – insbesondere zur strafrechtlichen Untersuchung und zu Fragen der Verantwortung.
Dabei lassen die aufgelisteten Punkte spüren, dass die Volksvertreterinnen an der bisherigen Aufarbeitung zweifeln. So erkundigen sie sich nach staatsanwaltschaftlichen Aktivitäten im Fall der Herzchirurgie – und stellen Fragen zur zu erwartenden Transparenz: «Wird die Öffentlichkeit durch die OSTA (Oberstaatsanwaltschaft) informiert, ob auf die öffentlich bekannt gewordene Strafanzeige eingetreten wurde und in dieser Sache ein Verfahren geführt wird?»: So lautet eine Frage.
Oder: «Wie beurteilt der Regierungsrat den Handlungsbedarf für eine eigene administrative Untersuchung?»
Eingereicht wurde die Interpellation den FDP-Parlamentarierinnen Linda Camenisch, Corinne Hoss-Blatter und Barbara Franzen; vereinzelt schlossen sich Vertreter anderer Parteien an, darunter der ehemalige Ärztegesellschafts-Präsident Josef Widler (Die Mitte). Zu den Mit-Unterzeichnern gehört auch GZO-Spitalpräsident Jörg Kündig (FDP).
Weitere Fragen der Interpellation zielen auf die Führungsverantwortung, denn die Politiker verlangen etwa eine Stellungnahme der Kantonsregierung zu «Ungereimtheiten bezüglich der personellen Entscheidungen und Berufungen sowohl im Fall der Herzchirurgie wie auch der Herzkardiologie unter der Führung des ehemaligen CEO des USZ, G. Zünd. … Dazu gehören auch die Geldflüsse aus den diversen Firmenverkäufen.»
Und schliesslich arbeiten die Interpellantinnen heraus, dass die Rechtsanwaltskanzlei, welche 2020 für das USZ Missstände in der Herzchirurgie eruieren sollte, fast zeitgleich zum «Legal Partner» des Health Innovation Hub des USZ ernannt wurde.
«War dem Regierungsrat diese Verbindung bekannt?», lautet also nun eine Frage in der Anfrage: «Wie beurteilt der Regierungsrat den Umstand eines möglichen Interessenskonfliktes?»
Kampfkultur
Im Hintergrund steht, dass seit über vier Jahren immer wieder schwerwiegende Vorwürfe auftauchen, welche die USZ-Klinik für Herzchirurgie zwischen 2016 und 2020 in ein kritisches Licht stellen. Berichtet wurde von einer erhöhten Mortalität; der damalige Klinikleiter Francesco Maisano habe sein Amt genutzt, um eigene Devices zu fördern; die Rede war von wissenschaftlicher Unsauberkeit und falschen Berichten; zudem habe in der Klinik eine Kampfkultur mit zwei zerstrittenen Lagern geherrscht.
In der Affäre wurden inzwischen schon drei offizielle Berichte erarbeitet – doch das genügte nicht, um die stetig neu aufkommenden Zweifel zu zerstreuen. Im Mai beschloss die Spitalleitung daher, die erwähnte externe Task Force einzusetzen: Sie solle alle Todesfälle in der USZ-Herzchirurgie im Zeitraum 2016 bis 2020 untersuchen, hiess es damals. Im Sommer wurde die Leitung dieser Task Force
an Niklaus Oberholzer übergeben, zugleich wurde das Mandat ausgeweitet.
USZ-Präsident André Zemp erwartete damals, dass die Arbeit der Untersuchungskommission 16/20 etwa ein Jahr dauern wird.
Die offiziellen Berichte zur Aufarbeitung des «Falls Maisano» am USZ
Ergebnisse: Dokumentation (insbesondere über Komplikationen) häufig unvollständig und teilweise unrichtig. Interessenkonflikte von Francesco Maisano in diversen Publikationen nicht ersichtlich. Nicht bestätigt, dass Devices aus Eigeninteresse und/oder gegen die Interessen der Patienten eingesetzt wurden. Nicht bestätigt, dass die Mortalitätsrate der USZ-Klinik für Herzchirurgie unter Maisano erhöht war. Keine konkreten Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der involvierten Personen.
Ergebnisse: Mängel bei der Führung der Klinik- und Institutsdirektoren am USZ. Im Spitalrat fehlen wichtige Kompetenzen, um ein so komplexes Unternehmen strategisch führen zu können. Die Führungsebenen Ärztliche Direktion und Medizinbereiche werden von den Klinikdirektoren nicht akzeptiert; diese hätten unverhältnismässig viel Macht. «Hinsichtlich Interessenbindungen, Nebenbeschäftigungen und Beteiligungen gibt es zwar Regulatorien, doch werden sie nicht befolgt und kontrolliert.»
Ergebnisse: 29 Empfehlungen. Unter anderem: Plattform für anonyme Meldungen einrichten. Verhaltensleitlinien für Umgang mit Interessenkonflikten. Überprüfung des Profils der Mitglieder des Spitalrates.