«Es wurden umfangreiche Untersuchungen und Berichte erstellt», sagte der Präsident des USZ-Spitalrates, André Zemp, bei der Eröffnung der Medienkonferenz am Donnerstag. Dennoch: Die anhaltenden Vorwürfe schadeten dem USZ weiter, so Zemp. Das Vertrauen sei für das Haus essenziell.
Thema des Auftritts erneut: Die Herzchirurgie am Universitätsspital Zürich von 2016 bis 2020; die Ära Maisano. Dazu war im Mai eine Task Force angekündigt worden – und nun wird dieses Gremium definitiv eingesetzt. Sein Name lautet «Unabhängige Untersuchungskommission 16/20».
Es erhält den uneingeschränkten Auftrag, chirurgische Eingriffe in der Klinik für Herzchirurgie zwischen 2016 und 2020 zu untersuchen – «mit Blick auf eine allfällig erhöhte Mortalität oder Komplikationen, besonders auch im Zusammenhang von dabei eingesetzten Medical Devices (z.B. Cardioband, TriCinch, Cardiovalve)».
Niklaus Oberholzer | Bild: zvg
Geleitet wird die Kommission von
Niklaus Oberholzer. Der Strafrechtler war von 2013 bis 2019 Richter am Bundesgericht, davor war er am Kantonsgericht St. Gallen tätig gewesen. Heute führt Oberholzer ein selbständiges Beratungsunternehmen für Strafrecht, Strafprozess und Strafvollzug.
«Er bringt mit seiner grossen juristischen Erfahrung in den vorgenannten Tätigkeiten und weiteren Mandaten beste Voraussetzungen mit, um die Arbeiten der unabhängigen Kommission erfolgreich zu leiten», so die Erklärung des USZ zu seiner Wahl.
Es liegt nun an Niklaus Oberholzer, das Gremium zusammenzustellen. Er stelle sich ein dreiköpfiges Gremium vor, das inbesondere medizinischen und organisatorischen Sachverstand aufweist, sagte der Jurist vor den Medien.
Thema auch: Entschädigungen
Auch die Entschädigungen an Patienten im Zusammenhang mit der Herzklinik im Zeitraum 2016 bis 2020 sollen überprüft werden, ergänzte Spitalratspräsident Zemp. Die Kommission könne ihren Auftrag obendrein erweitern, wenn neue Erkenntnisse dies nahelegen.
Im Hintergrund steht, dass seit mittlerweile vier Jahren immer wieder schwerwiegende Vorwürfe auftauchen, welche die USZ-Klinik für Herzchirurgie zwischen 2016 und 2020 in ein kritisches Licht stellen. Berichtet wurde von einer erhöhten Mortalität; der damalige Klinikleiter Francesco Maisano habe sein Amt genutzt, um eigene Devices zu fördern; die Rede war von wissenschaftlicher Unsauberkeit und falschen Berichten; zudem habe in der Klinik eine Kampfkultur mit zwei zerstrittenen Lagern geherrscht.
«Wir können die Aufarbeitung der Vorkommnisse in der Herzchirurgie nicht als abgeschlossen betrachten.»
Im Mai beschloss die Spitalleitung dann, jene externe Task Force einzusetzen: Sie solle alle Todesfälle in der USZ-Herzchirurgie im Zeitraum 2016 bis 2020 untersuchen, hiess es damals. «Wir können die Aufarbeitung der Vorkommnisse in der Herzchirurgie nicht als abgeschlossen betrachten», erklärte Zemp dazu. Es sei dem neuen USZ-Leitungsteam zwar gelungen, «die Klinik für Herzchirurgie wieder auf eine solide Basis zu stellen.» Aber man müsse auch sicherstellen, dass sich die Ereignisse nicht wiederholen. Und es gehe um Glaubwürdigkeit.
Auslöser war diesmal, dass Maisanos Nachfolger als Herzchirurgie-Chef, Paul Vogt, bei einer Gerichtsverhandlung die Lage in der Herzchirurgie zwischen 2016 und 2020 als «Desaster» bezeichnet hatte; er deutete an, dass zu viele Todesfälle geschahen und unter den Tisch gewischt worden waren.
Dauer: etwa 1 Jahr
André Zemp erwartet nun, dass die Arbeit der «Untersuchungskommission 16/20» etwa ein Jahr dauern wird. Der Öffentlichkeit soll der Bericht «in datenschutzrechtlich korrekter Form» vorgestellt werden. In der Zwischenzeit will sich die Spitalleitung mit weiteren Äusserungen zum Fall zurückhalten.
Sollten sich Hinweise auf strafrechtliches Verhalten ergeben, so werde er die Informationen an die betreffenden Behörden weiterleiten, sagte Niklaus Oberholzer.
Er könne nicht versprechen, dass die Untersuchung zu einem Erfolg werde: Dazu sei sie noch in einem zu frühen Stadium. Aber er werde alles tun, damit das Projekt Klarheit verschaffen könne.
Die offiziellen Berichte zur Aufarbeitung des «Falls Maisano» am USZ
- Bericht Walder Wyss, Auftraggeber: Spitaldirektion USZ, Februar 2021.
Ergebnisse: Dokumentation (insbesondere über Komplikationen) häufig unvollständig und teilweise unrichtig. Interessenkonflikte von Francesco Maisano in diversen Publikationen nicht ersichtlich. Nicht bestätigt, dass Devices aus Eigeninteresse und/oder gegen die Interessen der Patienten eingesetzt wurden. Nicht bestätigt, dass die Mortalitätsrate der USZ-Klinik für Herzchirurgie unter Maisano erhöht war. Keine konkreten Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der involvierten Personen.
- Bericht Aufsichtskommission Bildung und Gesundheit, Auftraggeber: Kantonsrat Zürich, Juli 2021.
Ergebnisse: Mängel bei der Führung der Klinik- und Institutsdirektoren am USZ. Im Spitalrat fehlen wichtige Kompetenzen, um ein so komplexes Unternehmen strategisch führen zu können. Die Führungsebenen Ärztliche Direktion und Medizinbereiche werden von den Klinikdirektoren nicht akzeptiert; diese hätten unverhältnismässig viel Macht. «Hinsichtlich Interessenbindungen, Nebenbeschäftigungen und Beteiligungen gibt es zwar Regulatorien, doch werden sie nicht befolgt und kontrolliert.»
- Bericht Res Publica Consulting, Auftraggeber: Gesundheitsdirektion Kanton Zürich, Thema: Governance im USZ, November 2020.
Ergebnisse: 29 Empfehlungen. Unter anderem: Plattform für anonyme Meldungen einrichten. Verhaltensleitlinien für Umgang mit Interessenkonflikten. Überprüfung des Profils der Mitglieder des Spitalrates.