Das Spitalzentrum Biel bietet in seiner Frauenklinik neu hebammengeleitete Geburten an. Es hat dazu «eine neue, komplett renovierte Wohlfühl-Oase eingerichtet, deren warme, wohnliche Atmosphäre an ein Geburtshaus erinnert und die für hebammengeleitete Geburten reserviert ist», wie im Pressetext zu lesen steht.
Herr Schneider, selbstbestimmt gebären dank hebammengeleiteter Geburt entspreche einem Bedürfnis, sagen Sie. Geht aber auch für das Spital die Rechnung auf?
Das Angebot ist aus einem Bedürfnis heraus entstanden: Frauen wünschen sich heute natürliche, möglichst selbstbestimmte Geburten. Dafür ist die hebammengeleitete Geburt ideal. Was die finanzielle Seite betrifft: Natürlich haben wir eine Machbarkeitsstudie inklusive finanzieller Abklärung gemacht. Wir werden gut herauskommen und müssen nichts drauflegen.
Die vorgängige Abklärung ist übrigens auch wichtig, weil die geltende Vergütungslogik im Bereich der Geburtshilfe falsche Anreize setzt und es Spitälern im Grunde erschwert, sich für die bessere Behandlungsqualität zu entscheiden: Ein Kaiserschnitt wird nach wie vor dreimal so hoch vergütet wie eine natürliche Geburt. Spitäler, die sich – wie das Spitalzentrum Biel – bewusst für eine tiefe Kaiserschnittrate stark machen, profitieren davon sicherlich nicht finanziell.
Warum haben Sie eine so tiefe Kaiserschnittrate?
Eine Frage des geburtshilflichen Approachs, der bei uns seit vielen Jahren aus Überzeugung gelebt wird. Es liegt uns viel daran, dass wir so wenig Kaiserschnitte wie möglich machen. Wir liegen bei vorbildlich tiefen 23 Prozent; in der Schweiz sind es durchschnittlich 32 Prozent und in der Hirslandenklinik Linde über 40 Prozent. Wir gehen davon aus ‒ es gibt zig Studien dazu ‒ dass die natürliche Geburt für die Mutter und für das Kind in der langfristigen Entwicklung von Vorteil ist. Bei einer natürlichen Geburt muss man bei einer Verzögerung oder kleineren Komplikationen nicht gleich einen Kaiserschnitt vornehmen. Wichtig ist, dass wir die Sicherheit bieten können, falls die Geburt einen unerwarteten Verlauf nimmt und ernstzunehmende Komplikationen auftreten.
Was ist jetzt so speziell an Ihrem so genannten Geburtshaus? Der Gebärsaal befindet sich nach wie vor im Spital.
Wir behaupten ja auch nicht, ein Geburtshaus zu führen. Aber ja: die Zimmer für die hebammengeleitete Geburt erinnern an ein Geburtshaus – und haben nicht den sterilen «Groove», den man aus Spitälern kennt. Sie sind wie eine Wohnung eingerichtet und haben zum Beispiel kein Spitalbett, sondern ein ganz gewöhnliches Bett.
Frauen und Paare, die eine hebammengeleitete Geburt wünschen, wollen nicht zu viele Leute um sich herumhaben. Sie wollen einzig von der Hebamme direkt begleitet werden, so dass die Geburt in einem möglichst geschützten, selbstbestimmten Umfeld stattfindet. Das können wir anbieten, weil wir als Spital gleichzeitig die notwendige Sicherheit gewährleisten können, etwa den ärztlichen Backup.
Korrigieren Sie mich: Auch bei natürlichen Geburten in der herkömmlichen Geburtenabteilung ist es die Hebamme, die die Hauptarbeit verrichtet. Auch dort ist der Arzt nur Backup.
In der klassischen Geburt im Spital hat der Gynäkologe oder die Gynäkologin den Lead. Die Hebamme leistet sehr viel Begleitungs- und Überwachungsarbeit, entscheidet aber nicht alles selber. Der Gynäkologe ist zwar nicht immer persönlich im Raum, aber immer sehr nahe dran.
Ist denn bei der hebammengeleiteten Geburt der Gynäkologe nicht nahe am Geschehen, um die Sicherheit zu gewähren?
Natürlich ist in einem Spital faktisch immer eine Gynäkologin oder ein Gynäkologe in der Nähe, aber er wird nur bei Bedarf involviert: Die Hebamme hat den Lead. Der Gynäkologe ist unter Umständen nicht mal informiert, dass gerade eine hebammengeleitete Geburt stattfindet. Das läuft autonom. Aber in einer Notsituation können natürlich die Gynäkologin und auch der Pädiater sofort zur Stelle sein.