In der kommenden Wintersession befasst sich der Nationalrat erneut mit dem Kostendämpfungspaket 2. Hier geht es aber nicht nur um Kostendämpfung, sondern auch um Bürokratie und die Frage, was uns eine starke, zukunftsfähige Gesundheitsversorgung wert ist. Und: es geht um den Zugang von Patientinnen und Patienten zu innovativen Medikamenten.
Seit Jahren steigen die Verzögerungen bei der Aufnahme von zugelassenen Medikamenten in die Vergütungspflicht, die 2023 in einem (vorläufigen) Spitzenwert von im Schnitt 301 Tagen gipfelten. Auch sind nur 55% der in Deutschland vergüteten, neuen innovativen Medikamente in der Schweiz standardmässig auf der Spezialitätenliste verfügbar. Wer also in Kreuzlingen statt in Konstanz wohnt, kriegt ein Medikament möglicherweise nicht. Grund dafür ist das veraltete System der Preisfestsetzung.
Lösungsansatz könnte zum Rohrkrepierer werden
Die forschende Pharmaindustrie hat Lösungsvorschläge lanciert: Alle Patientinnen und Patienten sollen gleichberechtigt Zugang zu neuen innovativen Therapien erhalten – ab dem Tag der Marktzulassung durch Swissmedic. Dafür wird ein provisorischer Preis gesetzt – ein Rückvergütungsmechanismus garantiert, dass keine Mehrkosten fürs Gesundheitswesen anfallen.
Das Parlament hat den Vorschlag von Interpharma aufgenommen. Allerdings will aktuell nur eine Minderheit der SGK-N, dass alle innovativen Medikamente, die eines der beschleunigten Verfahren bei Swissmedic durchlaufen, den Patienten ab dem Tag der Zulassung zur Verfügung stehen. Mit dem Mehrheitsvorschlag würden hingegen weniger als sechs Prozent der neuen Medikamente und Indikationen berücksichtigt. Zudem sind die vorgesehenen Bedingungen deutlich schlechter als in der Einzelfallvergütung (KVV Art. 71a-d).
In der Version des Ständerats und der SGK-N Mehrheit würde dieser «Zugang ab Tag 0» daher zum Rohrkrepierer: Auf Grund der engen Definition und der restriktiven Bedingungen wird wohl kaum ein Hersteller seine Produkte auf dem vorgesehenen Weg in die Schweiz bringen. Wenn überhaupt, müsste als «kleineres Übel» die schon heute bürokratische und für solche Fälle ungeeignete Einzelfallvergütung herhalten.
Noch mehr Bürokratie für Ärzte
Mit der ständerätlichen Variante wären künftig also nicht mehr, sondern wohl weniger innovative Medikamente verfügbar – und sie wären auch nicht schneller verfügbar. Denn statt über einen schlanken, klar definierten Prozess müssten neue innovative Medikamente über Einzelfalllösungen zu den Betroffenen gelangen. Das sorgt einerseits für noch mehr administrativen Aufwand bei der Ärzteschaft, ausserdem droht eine völlige Überlastung der Einzelfallvergütung. Die administrativen Kosten würden steigen und die Versorgung der tatsächlichen Einzelfall-Patienten wäre gefährdet.
Es ist an der Zeit, das Schweizer Gesundheitssystem durch effizientere Prozesse und besseren Zugang zu Therapien zukunftsfähig zu machen. Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte dürfen nicht länger unter unnötiger Bürokratie leiden. Die Entscheidung im Nationalrat am 9. Dezember wird zeigen, ob die Politik diese Herausforderung ernstnimmt.
Administrative Effizienz
Zugang zu Gesundheitsversorgung