Eine überparteiliche Motion im Kanton Bern fordert, dass künftig alle Arztpraxen Medikamente verkaufen dürfen. Der Regierungsrat zeigt sich wenig begeistert.
Der Konflikt zwischen Berner Ärzten und Apothekern darüber, wer Medikamente verkaufen darf und wer dadurch Konkurrenz erfährt, reicht bis in die 70er Jahre zurück - und «habe bis heute Spuren in der Zusammenarbeit der beiden Berufsgruppen hinterlassen»,
schreibt der Regierungsrat des Kantons Bern. Seit 1884 regelt ein Mischsystem die Selbstdispensation von Medikamenten im Kanton: Arztpraxen dürfen diese nur dann verkaufen, wenn in der jeweiligen Gemeinde weniger als zwei Apotheken vorhanden sind, oder im Rahmen von Erstversorgung, Hausbesuchen und Notfällen. Versuche, diese Regelung zu liberalisieren oder weiter zu verschärfen, scheiterten bisher.
SP-Grossrätin Irene Hügli fordert nun, dass alle Arztpraxen im Kanton die Erlaubnis erhalten, Medikamente zu verkaufen, da der «Hausärztemangel inzwischen auch in den Städten angekommen ist» und «die Existenz der Apotheken mittlerweile gesichert sei».
Regierung will Konflikt vermeiden
Deshalb solle jetzt der «freie Wettbewerb zwischen Apotheken und Praxisapotheken zum Tragen kommen», so die Grossrätin gegenüber der «
Berner Zeitung».
Die Apotheken sehen das anders: «Wenn mehr Ärzte Medikamente abgäben, würde dies die Apotheken sehr wohl gefährden», sagt Mark Kobel, Präsident des bernischen Apothekerverbands in der «Berner Zeitung».
Auch der Regierungsrat befürchtet, dass die Änderung zu einem erneuten Konflikt führen könnte und möchte die bestehende Regelung beibehalten. «Erst in den vergangenen zehn Jahren ist es gelungen, das Verhältnis zwischen Apothekern und Ärzten zu normalisieren und gemeinsame Projekte umzusetzen» - etwa den gemeinsamen Lehrstuhl am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) und den neuen Masterstudiengang Pharmazie an der Universität Bern.
«Dem Regierungsrat ist es ein wichtiges Anliegen, dass diese Gräben nicht erneut geöffnet werden und die gute Zusammenarbeit dieser Berufsgruppen fortgeführt werden kann.»
Die endgültige Entscheidung liegt nun beim Kantonsparlament.
Aktuelle Regelung der ärztlichen Medikamentenabgabe
- Die ärztliche Medikamentenabgabe ist in der Schweiz kantonal geregelt.
- Während sie in den Westschweizer Kantonen, dem Tessin, Basel-Stadt und Aargau nur in Ausnahmefällen erlaubt ist, ist sie in vielen Deutschschweizer Kantonen weit verbreitet.
- Im Kanton Bern herrscht eine Mischform: Ärzte dürfen mit entsprechender Bewilligung des Kantons in Ortschaften, in denen die Notfallversorgung mit Medikamenten nicht durch mindestens zwei öffentliche Apotheken abgedeckt ist, eine Privatapotheke betreiben und so die eigenen Patienten uneingeschränkt mit Medikamenten versorgen. Entfällt durch eine Apothekengründung die Voraussetzung zur Führung einer Privatapotheke, so wird dem Arzt für die Liquidation der bestehenden Privatapotheke ein Zeitraum von zehn Jahren eingeräumt.
- Auch ohne Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke können Ärzte Medikamente zur Erstversorgung, bei Hausbesuchen und in Notfällen direkt abgeben.