Die Physician Associates oder Physician Assistants galten noch vor Kurzem als Zukunftsberuf. Und dabei gehörte Grossbritannien – nach den USA – zu den Ländern, wo die neue Funktion früh aufkam, früh strukturierte Bildungswege erhielt und recht starke Wurzeln bilden konnte. Die ersten PA-Nachdiplom-Programme wurden in England 2008 gestartet, und inzwischen ist es dort gang und gäbe, dass Fachspezialisten mit einer Zusatzausbildung ärztliche Aufgaben direkt am Patienten übernehmen.
Heute sind knapp 4’000 PA’s (so die Abkürzung) zwischen Südengland, Nordschottland und Ulster tätig, davon knapp die Hälfte in NHS-Kliniken – und die andere Hälfte in Praxen.
Damit soll nun Schluss sein. Das zuständige Gremium der British Medial Association entschied am 17. Oktober 2024, dass die Physician Associates aus den Hausarzt-Praxen verdrängt werden sollen. Eine «überwältigende Mehrheit der Mitglieder» –
so die Mitteilung – sprach sich dafür aus, dass keine neuen PA in den Praxen engagiert werden; auch sollen die heute tätigen Fachspezialisten nicht länger unbeaufsichtigt im Patientenkontakt eingesetzt werden.
Mehr Personal, aber…
«Die Rolle eines Physician Associates ist nicht genügend ausgebildet für die Behandlung undifferenzierter Patienten, und es sollte ein sofortiges Moratorium für solche Behandlungen geben», heisst es im Beschluss.
Oder anders: Die British Medical Association erachtet die Patientenbetreuung mit PA als zu unsicher. Zumindest momentan.
«Es ist kein Geheimnis, dass wir in der Allgemeinmedizin dringend mehr Personal brauchen», sagt Katie Bramall-Stainer, die Vorsitzende des zuständigen Hausarzt-Gremiums. «Aber wir müssen ebenfalls sicherstellen, dass das Personal, welches Patienten behandelt, genügend geschult und kompetent ist, um unbeaufsichtigt zu behandeln.»
Ende September hatte bereits das Royal College of General Practitioners, der andere prägende Verband der Allgemeinmediziner, ein ähnliches
Dekret erlassen: Mit einer knappen Zweidrittels-Mehrheit beschloss dessen Hausarzt-Komittee «to oppose a role for Physician Associates working in general practice».
Wenn schon, dann im Spital
Die BMA schlägt nun vor, dass innerhalb des NHS-Spitalsystems nach neuen Aufgaben und Funktionen für die Klinischen Fachspezialisten gesucht wird.
Bemerkenswert ist der britische Vorgang, weil der Physician Associate jüngst noch als aufstrebender Beruf gefeiert wurde – und als hoffnungsvoller Ansatz gegen den Ärztemangel. Indem diese Arztassistenten delegierbare Tätigkeiten selbständig ausüben, könnten sie die Mediziner deutlich entlasten: So die Idee.
Die Fachspezialisten haben eine medizinische Grundausbildung – etwa in der Pflege – sowie eine Zusatzausbildung. In der Schweiz begannen die ersten Versuche mit PA’s (die hier ebenfalls oft so genannt werden) vor ziemlich genau zehn Jahren. Heute arbeiten Klinische Fachspezialisten in rund 50 Institutionen. Landesweit sind etwa 100 Personen in diesem Berufsfeld tätig, die Mehrheit davon in der Deutschschweiz. Allerdings finden sie sich hierzulande nicht im ambulanten Bereich – unter anderem, weil sich ihre Aufgaben dort schwer tariflich abbilden lassen.
(Mehr: «Junger Beruf im Aufwind», SAEZ, Januar 2024.) Der britische Stopp erklärt sich offenbar auch aus einer unklaren Definition und Überwachung der Funktion. So kam es in letzter Zeit, dass gerade wegen der Überlastung der Ärzte mehr und mehr Aufgaben – quasi schleichend – zu den PA’s wanderten, ohne dass diese dafür genügend ausgebildet waren
(mehr). Der Tod einer jungen Frau, welcher Fehldiagnosen durch PA zugeschrieben wurde, heizte die Diskussion dann vollends auf (
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Kommt hinzu, dass die Regierung
dieselbe Aufsichtsbehörde für PA wie für Ärzte einsetzen will – was die Mediziner irritiert. Der ärztliche Widerstand gegen die Physician Associates will also auch Klarheit durch Abgrenzung schaffen; und darin manifestiert sich vielleicht auch in gewisses Standesbewusstsein.
- Die «Schweizerische Ärztezeitung» erläutert in einem jüngst erschienenen Beitrag die Rolle und Unterschiede von Advanced Practice Nurses und Physician Associates im Schweizer System (SAEZ 41-42, 9. Oktober 2024).