Swiss Medi Kids in Existenznot – Modell mit Swica und CSS

Das Bundesgerichts-Urteil zu den Notfallpauschalen hat in der Kindermedizin besonders deutliche Folgen.

, 21. Oktober 2024 um 06:46
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Bedroht: Swiss-Medi-Kids-Standorte in Zürich, Winterthur und Luzern  |  Bilder: SMK
«Swiss Medi Kids: Grösster Kindernotfall der Schweiz kämpft ums Überleben»: So drastisch titelt der «Blick» am Montag früh in seiner Online-Ausgabe. Weil die Krankenkassen nach dem Bundesgerichtsurteil vom Juli nur noch sehr begrenzt Notfallpauschalen bezahlen wollen, ist die grösste Kinder-Permanence-Gruppe der Schweiz in ihrer Existenz bedroht.
Allerdings gibt es einen Rettungsanker: Swiss Medi Kids konnte mit Swica und der CSS Managed-Care-Verträge abschliessen, die den Versicherten den Zugang zur Walk-in-Gruppe an Randzeiten ermöglichen – und die Swiss Medi Kids beim Überleben helfen. «Swiss Medi Kids hofft, dass sich alle weiteren Krankenversicherer diesem Modell anschliessen», schreibt Leiterin und Gründerin Katja Berlinger in einer Mitteilung.
Das Bundesgericht befand im Juli, dass eine Permanence, die regulär abends und am Wochenende geöffnet hat, nicht automatisch höhere Sätze dafür verlangen kann. Die Dringlichkeits-Inkonvenienz-Pauschale sei für Fälle geschaffen worden, wo ein Hausarzt ausserhalb seiner Praxiszeit einen kurzfristigen Sondereinsatz leisten muss, urteilte das oberste Gericht. Aber nicht für Permanence- oder Walk-In-Praxen.

Marge zu dünn fürs Arbeitsgesetz

Nun zeigen sich die Folgen in einem weiteren Fall: Swiss Medi Kids betreibt Permanencen in Zürich, Winterthur und Luzern – und ist auch dem Arbeitsgesetz verpflichtet. Dieses schreibt für wiederkehrende Wochenendarbeit höhere Löhne vor. Die rund 140 Angestellten des Unternehmens verpflichten sich, abends und an mindestens zwei Wochenenden pro Monat am Samstag und Sonntag zu arbeiten; hinzu kommen Dienste an den Feiertagen. Dafür erhalten sie höhere Gehälter.
Wenn dieser «Aufpreis» aber von den Tarifen nicht gedeckt wird, muss das Angebot zu Randzeiten eingestellt werden. Beim Kinder-Anbieter ist das Problem akzentuiert: Die Hälfte der Behandlungen finden abends oder am Wochenende statt.
In der ohnehin unterfinanzierten Kinder- und Jugendmedizin sei die Gewinnmarge von Swiss Medi Kids zu klein, um ohne die Notfallpauschalen überleben zu können, rechnete Katja Berlinger im «Blick» vor. Konkret fehlen dem Unternehmen nun rund 1,5 Millionen Franken in der Kasse; dies entspricht 14 Prozent der Gesamteinnahmen.
«Wir sind zuversichtlich, dass wir durch die Vertiefung der Zusammenarbeit gemeinsam den Mehrwert für die Familien noch weiter erhöhen können.» — Daniel Rochat, Swica
Jährlich finden bei Swiss Medi Kids rund 80’000 Konsultationen statt. Das heisst: Etwa 40’000 Fälle müssten also ausweichen, wenn die Randzeiten-Angebote wegfallen. Wenn aber diese Patientinnen und Patienten auf Notfallstationen der Spitäler ausweichen, wird die Sache teuer für die Krankenkassen (die via Tarifsuisse das Bundesgerichts-Urteil erwirkt hatten).
Swica und CSS streben nun eine Lösung an, indem sie mit der Kindermedizin-Gruppe eine Managed-Care-Vereinbarung anstreben. «Swiss Medi Kids entlastet auf kostenbewusste Weise die Notfallstationen. Deshalb finden wir es wichtig, den Zugang zu diesen Permanencen für unsere Versicherten zu erhalten», sagt Sanjay Singh, Konzernleitungs-Mitglied der CSS. Und Daniel Rochat von der Swica-Geschäftsleitung bekundet: «Wir sind zuversichtlich, dass wir durch die Vertiefung der Zusammenarbeit gemeinsam den Mehrwert für die Familien noch weiter erhöhen können.»
Für eine Übergangszeit behandelt Swiss Medi Kids die Kinder sämtlicher Krankenkassen zu Randzeiten weiter. «Unser Ziel ist es, auch in Zukunft die Kinder sämtlicher Versicherer behandeln zu können und hoffen sehr, dass möglichst viele Krankenversicherer dem Vorbild von CSS und Swica folgen werden», sagt Katja Berlinger. Mit der Sanitas sei man schon in sehr guten Gesprächen.

Das Hausärzte-Dilemma

Der Fall scheint zu bestätigen, was Betroffene und Politiker bereits im Juli befürchteten: Das Bundesgerichts-Urteil lässt Walk-in- und Notfall-Angebote verschwinden, so dass sich die Versorgungslage allgemein verschlechert – ohne dass dies zu Ersparnissen für die Prämienzahler führt.
Im September wurde bekannt, dass die lokale Notfallpraxis der Hausärzte in Sursee aufs Jahresende ihre Türen schliesst. Die Praxis war vor 13 Jahren von den Ärzten der Region gegründet worden und wurde gemeinsam betrieben; sie befand sich im örtlichen Spital und offerierte eine Walk-in-Versorgung von Montag bis Freitag nach 18 Uhr sowie am Wochenende zwischen 9 und 21 Uhr.
Die Organisation in Sursee verrechnete für ihre Behandlungen die Dringlichkeits-Inkonvenienz-Pauschale, durchschnittlich 85 Franken: Schliesslich war die Praxis quasi die Form, in der die Hausärzte ihre Notfallverpflichtung erfüllten. Nach dem Bundesgerichts-Urteil forderten nun aber mehrere Krankenkassen die Auslagen für die Inkonvenienz-Zuschläge zurück, welche die Hausarzt-Praxis bislang offensichtlich unberechtigt bezogen hatte.

Jetzt halt zum Spital

In der Folge beschloss die LUKS-Gruppe, dass das Spital Sursee die Notfallversorgung weiter sicherstellen soll. Für die Behandlung leichterer Verletzungen und Erkrankungen strebe man eine Kooperation mit der regionalen Hausärzteschaft an. Dieses Modell wird bereits in Luzern und in Wolhusen angewandt – dort betreibt das Spital jeweils eine gemeinsame Notfallpraxis mit der Ärztegesellschaft.
In diesen Notfallpraxen wird die Inkonvenienzpauschale nicht verrechnet. Da sie aber von der LUKS-Gruppe betrieben werden, kann das Spital ebenfalls eine Eintrittspauschale in die Notfallaufnahme verrechnen (die allerdings mit gut 28 TP etwas tiefer ist).
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