In Konstanz kriegt man mehr aktuelle Arzneimittel als in Kreuzlingen

Geht es um den Zugang zu neuen, innovativen Medikamenten, so liegt die Schweiz auf Rang 6 in Europa. Bei den Medikamenten gegen seltene Krankheiten liegt sie auf Rang 9.

, 30. August 2024 um 09:20
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Pharma-Forschungslabor in Cambridge, England  |  Bild: PD AstraZeneca
Dies besagt eine Studie, welche das Institut IQVIA heute veröffentlicht hat. Konkret bedeutet das:
  • Von den 167 neuen und innovativen Arzneimitteln, die von 2019 bis 2022 in Europa zugelassen wurden, sind 48 Prozent für Schweizer Patienten voll verfügbar; sie stehen also auf der Spezialitätenliste und werden von der Krankenkasse übernommen.
  • In Deutschland, Italien, den Niederlanden, Luxemburg und Österreich ist der Prozentsatz höher – darum liegt die Schweiz am Ende auf Rang 6.
  • Weitere 22 Prozent der innovativen Arzneimittel sind in der Schweiz zugelassen, aber nur im Rahmen der Einzelfallvergütung verfügbar.
Bei den Medikamenten für seltene Krankheiten sind 29 Prozent der 63 Produkte, die von 2019 bis 2022 in Europa zugelassen wurden, in der Schweiz voll verfügbar.
Im Hintergrund steht, dass nur rund 70 Prozent der 167 neuen Medikamente, welche die EU zuliess, derzeit von Swissmedic bewilligt sind; was auch daran liegen kann, dass die Herstellerfirma auf einen Antrag verzichtet hat.
Und dabei ist der Anteil der Orphan-Produkte besonders hoch: Mehr als die Hälfte aller innovativen Medikamente ohne Swissmedic-Zulassung dienen zur Behandlung von seltenen Krankheiten.
Die Zahlen zeigen einerseits, dass die (zusätzliche) Swissmedic-Zulassung eine Hürde darstellt, welche die Hersteller abschreckt oder zumindest die Zeitdauer verlängert, bis eine Arznei verfügbar ist.

Die Spezialitätenliste-Zusatzrunde

Obendrein erscheint das nachfolgende Verfahren bis zur Krankenkassen-Vergütung relativ lang. In Deutschland beispielsweise werden neue Arzneimittel ab der Zulassung von den Kassen erstattet – in der Schweiz gelangen sie erst nach Verhandlungen auf die Spezialitätenliste.
Dieser Prozess zur Preisfestsetzung und Vergütung dauere beim BAG immer länger, moniert René Buholzer, der CEO des Branchenverbands Interpharma. Und so fehle bei den Herstellerfirmen die nötige Rechts- und Planungssicherheit – was sie wiederum zögern lässt, ein Medikament überhaupt hierzulande einzureichen.
«Es ist ungerecht, wenn Menschen in Konstanz sofortigen Zugang zu einer neuen Therapie haben, in Kreuzlingen jedoch nicht», kommentiert Florian Saur, Geschäftsführer von AstraZeneca Schweiz, die Ergebnisse; AstraZeneca hat die IQVIA-Studie beauftragt. «Innovative Therapien tragen nicht nur zu einem längeren Leben und besserer Lebensqualität bei, sondern können auch die Gesamtkosten des Gesundheitssystems senken und personelle Ressourcen schonen, beispielsweise durch eine Reduktion der Krankenhaustage.»
  • Patienten zwischen Hammer und Amboss. Im Gesundheitswesen brennt es primär bei den Kosten – so die allgemeine Wahrnehmung. Wenn das so weitergeht, brechen düstere Zeiten an für Menschen mit chronischen Krankheiten. Ein Kommentar von Yvonne Feri.

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