Die Stimmen der
Apothekerinnen und Apotheker sind in den letzten Monaten immer lauter geworden. Der Grund: Die
angespannte Lage betreffend den Mangel an lebenswichtigen Arzneistoffen hat sich zusehends verschärft. Wie der
Bundesrat am Mittwoch mitteilt, wird die Lage in der Schweiz nun als «problematisch» eingestuft.
Kurzfristige Lösungen gesucht
Die Engpässe betreffen gemäss dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zunehmend Medikamente, die oral eingenommen werden können. Anders als in den vergangenen Jahren, als vor allem Spitäler betroffen waren, fehlen die Arzneimittel jetzt in Apotheken und Arztpraxen oder für die Behandlung zu Hause.
Nun soll die «Taskforce Engpass Medikamente» unter der Leitung des Delegierten für wirtschaftliche Landesversorgung, Kurt Rohrbach, kurzfristige Massnahmen finden. Ziel sei es, diese Engpässe rasch zu lindern, ist weiter zu lesen. Im Juli wird Rohrbach von Hans Häfliger abgelöst.
Desaster zu erwarten?
Pharmasuisse begrüsst diese Massnahmen sehr. «Wir betonen seit einigen Jahren, dass die Situation immer schlechter wird», schreibt der Schweizerische Apothekerverband auf Anfrage von Medinside.
Doch kommt die Reaktion des Bundes nicht etwas sehr spät? «Es ist sicher nicht zu früh. Kurzfristig kann die Situation nicht geändert werden. Wichtig ist jetzt, dass der Bund die Apothekerinnen und Apothekern in diesem Thema begleitet und optimale Rahmenbedingungen schafft, damit wir unsere Arbeit tun können.»
«Wir haben immer noch genügend Alternativen, aber der Aufwand diese zu finden wird immer grösser.»
Pharmasuisse
Um den Medikamentenmangel kurzfristig zu überbrücken, stellen einige Apotheken gewisse Arzneimittel selbst her. «Andere versuchen alternative Arzneimittel zu finden oder auch über das Ausland zu organisieren. Welche Massnahmen nun neu hinzukommen, werden wir mit dem Bund diskutieren», so Pharmasuisse.
Dass die Schweiz, jetzt wo die Erkältungs- und Grippewelle anzieht, vor einem Desaster steht befürchtet der Verband nicht. «Wir haben immer noch genügend Alternativen, aber der Aufwand diese zu finden wird immer grösser.»
Wichtig sei, dass niemand Arzneimittel auf Vorrat kaufen sollte, damit sie für die Patienten zur Verfügung stehen, die sie dringend benötigen.
«Massnahmen kommen zu spät»
Wie eine kleine Umfrage bei acht Apotheken zeigt, sind nicht alle gleich glücklich über die Massnahmen des Bundes. «Sie kommen viel zu spät. Unsere Regale werden immer leerer», sagt Frank Oertel, Verwalter der Central Apotheke in Aarau.
«Wir müssen viele Kunden abweisen», fügt der Apotheker an, der keine Medikamente selber herstellt. Er hofft nun, dass die gepriesenen Massnahmen für das «hausgemachte Problem» schnell gefunden und umgesetzt werden.
«Die Taskforce wird nicht von heute auf morgen neue Massnahmen umsetzten können.»
Roland Wyss, Wyss Apotheke Baden.
In der Apotheke Wyss in Baden sieht man es etwas gelassener. «Diese Problematik spitzt sich seit Jahren zu. Trotzdem ist die Versorgungssicherheit in der Schweiz gewährleistet, es wird einfach immer schwieriger, Alternativen zu finden», sagt der Mitinhaber Roland Wyss. In der Apotheke fehle es aktuell insbesondere an Hustenmitteln und an Schmerzmitteln für Kinder.
Engpässe werden mit selbst hergestellten Arzneimitteln überbrückt. «Leider wird es auch immer schwieriger, Hilfsstoffe für die Medikamente zu finden», gibt er zu bedenken.
Antibiotika sei im Moment noch keine Mangelware. «Antibiotika-Engpässe sind jedoch eine Frage der Zeit.» Dass die Taskforce von heute auf morgen neue Massnahmen umsetzten könne, sieht Wyss als eher unwahrscheinlich. Wichtig sei es, dass es einen Plan für die Zukunft gebe.
Lage seit 2019 problematisch
Die Versorgungslage bei Arzneimitteln verschlechtert sich seit mehreren Jahren. Der aktuelle weltweite Mangel etwa an Antibiotika sei durch die Corona-Pandemie und die Lockdowns in China aber noch verschärft worden, heisst es in der
Mitteilung des Bundes.
Mittel- und langfristige Massnahmen zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung werden bereits vom BWL und BAG gemeinsam evaluiert. Dabei geht es insbesondere darum, die Störungen früher und breiter zu erfassen, deren Management zu erleichtern sowie die Marktbedingungen insgesamt zu verbessern, mit dem Ziel weniger Störungen zu haben.