Intuitiv weiss es ja jeder: Da gibt es einen Konflikt. Es gibt einen steten Widerspruch zwischen Arbeit und Selbstverständnis eines Allgemeinpraktikers – sowie dem Anspruch, medizinische Leistungen quantitativ auszuloten und qualitativ zu messen.
Eine grosse Umfrage unter amerikanischen Ärzten fast das Problem nun zusammen. Danach befinden mehr als die Hälfte der Allgemeinpraktiker, dass der zunehmende Einsatz von Qualitätsmess-Systemen in Kliniken, Spitälern, Gemeinschaftspraxen oder Instituten einen negativen Einfluss hat auf die Güte der medizinischen Betreuung.
Befragt wurden gut 1'600 Mediziner, durchgeführt wurde Studie Erhebung im Auftrag von zwei Gesundheits-Stiftungen (
Commonwealth Fund und
Kaiser Family Foundation). Zum Vergleich wurde auch die Meinung von gut 500 Personen aus der Spitalbetreuung erhoben, etwa von Pflegepersonal oder
Physician Assistants (also jener in den USA gebräuchlichen Position an der Nahtstelle zwischen Pflegefachleuten und Arzt).
Zu erwähnen ist, dass im Rahmen der US-Medicare/Medicaid-Systeme auch niedergelassene Hausärzte teils nach Qualitäts- und Beurteilungs-Systemen bezahlt werden; beispielsweise müssen sie mit Malus-Abschreibern bei unnötigen Spitalüberweisungen rechnen.
Erfahrung und Skepsis vor dem Unbekannten halten sich bei der Beurteilung die Waage: Jene Ärzte, die selber schon mit Qualitäts-Metrix-Methoden konfrontiert sind, beurteilten die Messsysteme fast exakt gleich kritisch wie jene Mediziner, die noch nach dem «Honorar pro Besuch»-Prinzip bezahlt werden.
Messen, um zu messen
Das Argument der Mediziner ist leicht fassbar: Qualitäts-Messlatten seien nicht in der Lage, die hausärztliche Leistung wirklich – umfassend – zu messen.
«Es gibt so viele soziale Faktoren der Gesundheit, die in diesen Gleichungen einfach nicht auftauchen»: So interpretierte es Amy Mullins, die für Qualitätskontrolle zuständige Direktorin der Hausärzte-Organisation
American Academy of Family Physicians, im Magazin
«Health Leaders»: Man habe ja auch oft den Eindruck, so die Vertreterin der Hausärzte, «dass die Krankenkassen messen, um zu messen – und nicht, um die Qualität zu verbessern.»
Flucht vor der Moderne in die Pensionierung?
Grundsätzlich spiegelt sich in den Aussagen der Allgemeinpraktiker aber auch eine erhebliche Konservativität. Dass man der elektronischen Patientenakte eine positive Wirkung zuspechen könne – «a positive impact» –, das befindet gerade mal die Hälfte der befragten Ärztinnen und Ärzte. Bei der Vergleichsgruppe der Pflege-Fachleute war die Quote mit 64 Prozent deutlich grösser.
Wie weit das Festhalten am Bewährten geht, zeigte sich schliesslich in der Frage nach der Zukunft: Laut der Umfrage finden fast die Hälfte der Allgemeinpraktiker – 47 Prozent –, dass sie wegen der Tendenzen im Gesundheitswesen planen, sich früher pensionieren zu lassen.