Das sind die besten Qualitäts-Projekte im Gesundheitswesen

Neue Qualitätsindikatoren, ein kostensenkendes Programm im ambulanten Bereich oder «offene Psychiatrie». Die Schweizerische Akademie für Qualität in der Medizin hat Qualitätsverbesserer ausgezeichnet.

, 12. Mai 2022 um 15:18
image
Was sind praxiserprobte Qualitätsprojekte, die das Schweizer Gesundheitswesen voranbringen? Die Vielfalt wirkungsvollen Qualitätsschaffens im hiesigen Gesundheitswesen ist gross.
Pionierarbeit leisten vor allem Teams, die den diesjährigen Qualitätspreis «Innovation Qualité» gewonnen haben, der am Donnerstag in Bern verliehen wurde.
Das sind die Gewinner des Qualitätspreises:

Kategorie «Qualitätsentwicklung als lernendes System»


  • Offene Psychiatrie dank Trackkonzept: Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel

Das Open Door Konzept oder «Trackkonzept» wurde 2012 in den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel lanciert und seither laufend ausgebaut. Es fördert gezielt die Behandlungskontinuität und ermöglicht es Patientinnen und Patienten, ab Eintritt von Fachteams mit diagnosespezifischer Kompetenz betreut zu werden. Zudem müssen die Patienten bei Krisen die Abteilung nicht wechseln, wodurch sich beispielsweise suizidale Notfälle bei Menschen mit Persönlichkeitsstörung auf einer offenen Kriseninterventions-Station behandeln lassen. So konnten Zwangsmassnahmen reduziert werden und sind inzwischen mit 4 bis 5 Prozent halb so hoch wie im Schweizer Schnitt. Die Patientenzufriedenheit erhöhte sich und auch das Personal profitiert beim Trackkonzept von einer kontinuierlichen Verbesserung der Stationsatmosphäre (mehr dazu hier). Preisgeld: 15'000 Franken 

Kategorie «Ärzteorganisationen»


  • Stationäre und ambulante Qualitätsindikatoren für die Allgemeine Innere Medizin

Die Qualitätskommission der Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) hat 2021 für den stationären und den ambulanten Bereich der Allgemeinen Inneren Medizin je sechs Qualitätsindikatoren publiziert. Dem Projektteam ist es gelungen, anhand von konkreten Beispielen den Einsatz von Indikatoren in einem Qualitätsverbesserungs-Zyklus zu zeigen und damit eine patientenzentrierte Diagnostik und Behandlung zu fördern. Sowohl für den stationären als auch für den ambulanten Bereich wurden die Qualitätsindikatoren Informationsfluss und Sturzprävention definiert. Im stationären Bereich gehören dazu ausserdem die Neuverschreibung von Benzodiazepinen, Transfusionen, «Critical-Incident-Reporting» und Hepatitis B; im ambulanten Bereich sind es die Qualitätsindikatoren Patientenverfügung, Medikamenteninteraktionen, Suchtverhalten und Lebensstilfaktoren (mehr dazu hier). Preisgeld: 10'000 Franken. 
  • Proqura: mehr Qualität und weniger Kosten

Die Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) hat in Zusammenarbeit mit Pro Medicus als erste Schweizer Fachgesellschaft das Qualitätsprogramm Proqura erfolgreich umgesetzt. Das von Pro Medicus lancierte Programm ermöglicht es der niedergelassenen Ärzteschaft, die seit Anfang 2020 geltenden Bestimmungen des revidierten Heilmittelgesetzes (Art. 56 3bis KVG) konstruktiv umzusetzen. Proqura sorgt dafür, dass Leistungserbringende ihre Behandlungsqualität strukturiert verbessern können und gleichzeitig einen signifikanten und gesetzeskonformen Beitrag zur Kostensenkung leisten. 2021 haben 72 Programmteilnehmende bereits mehr als 1.5 Millionen Franken Kosteneinsparungen erzielt (mehr dazu hier). Preisgeld: 10'000 Franken.

Kategorie «Patientensicherheit»


  • Mamamundo: Geburtsvorbereitung in der Muttersprache

Seit zehn Jahren sorgt der gemeinnützige Verein Mamamundo dafür, das schwangere Frauen mit geringen Deutschkenntnissen Geburtsvorbereitungskurse in ihren jeweiligen Muttersprachen besuchen können. Kommunikative Hürden erschweren insbesondere den vulnerablen Migrantinnen-Gruppen unter ihnen eine bedarfsgerechte Betreuung. Komplikationen sind bei ihnen häufiger, zudem ist ihr Risiko für prä- und postnatale psychische sowie physische Erkrankungen erhöht. Das interkulturelle Dolmetschen in der Geburtsvorbereitung verbessert die gesundheitliche Situation von Müttern und Kindern und beugt einer Über- oder Unterbetreuung vor, die oft durch Sprachschwierigkeiten verursacht wird. Mamamundo ist heute bereits in den Kantonen Bern, Luzern, Basel Stadt und Basel-Landschaft, Solothurn und Zürich präsent und leistet einen wertvollen Beitrag zu Chancengleichheit und Integration (mehr dazu hier). Preisgeld: 15'000 Franken

Aus Dutzenden Projekten ausgewählt

Insgesamt wurden 37 Projekte von Qualitätsschaffenden aus der ganzen Schweiz eingereicht und von zwei unabhängigen Expertenjurys beurteilt. Bewertungskriterien sind unter anderem Innovationsgrad, Relevanz, Zielgruppenorientierung oder Ergebnisse. Der Preis wird alle zwei Jahre von der Schweizerischen Akademie für Qualität in der Medizin der Ärzteverbindung FMH vergeben.
Der Anlass fand am Donnerstag in Bern statt. Als Referenten waren unter anderem Walter Mingrone, Co-Präsident von der Organisation Swiss Cancer Network (SCN), die 2017 diesen Preis gewonnen hat. David Schwappach übernahm die Laudatio für den Preis im Bereich Patientensicherheit. Gleichzeitig lobte der ehemalige Direktor Patientensicherheit Schweiz die Arbeit der Jury und hielt ein Referat über Klinikinformationssysteme und Patientensicherheit.  
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Cyber-Angriff: Daten des Ärzteverbandes FMH gestohlen

Der Hackerangriff auf die NZZ-Mediengruppe hat auch zum Diebstahl von Adressdaten von FMH-Mitgliedern geführt.

image

21 von 46 Patientenbeschwerden waren gerechtfertigt

Eine Gutachterstelle der Ärzteverbindung FMH beurteilt jedes Jahr Vorwürfe, die Patienten erheben. In vielen Fällen sind sie berechtigt.

image

Zu wenig ausgereift: Das Urteil der FMH

Die Ärztegesellschaft FMH ist mit der dritten Version der ambulanten Pauschaltarife noch nicht zufrieden. Aber sie will den Tardoc nicht gefährden.

image

Schweizer Ärzte gönnen sich kleinere Pensen

Statt wie vor zehn Jahren über 49 Stunden pro Woche, arbeiten Ärzte «nur» noch etwas weniger als 48 Stunden pro Woche.

image

«Der Tardoc wird Hausärzte besserstellen»

Die FMH-Präsidentin über den Fachärztemangel, die Dringlichkeitsklausel, die Ärztedichte, den Tardoc und das BAG.

image

Nun wollen Apotheken in die Bresche springen

Volle Notfallstationen und ein akuter Ärztemangel: das Schweizer Gesundheitswesen leidet. Jetzt wollen Apothekerinnen und Apotheker zur Entlastung beitragen.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.