Patienten, die zu viel fragen und fordern, undankbar sind oder gar aggressiv: Jeder Arzt und jede Ärztin muss sich zuweilen mit solchen Patienten herumschlagen. Sie werden landläufig als «schwierig» bezeichnet und sind nicht nur unsympathisch, sie hemmen auch den Betrieb und frustrieren das ganze Team.
Es liegt auf der Hand, dass die Anstrengungen, die unternommen werden müssen, mit diesen Menschen umzugehen, Sprechstunde und Diagnose beeinträchtigen. Wissenschaftler der
Erasmus Universität Rotterdam und des Erasmus Medical Center haben nun diese Annahme in zwei Untersuchungen bestätigt.
- Das Risiko für Falschdiagnosen ist bei Patienten, die von den Ärzten als schwierig taxiert werden, höher - und zwar unabhängig von der Komplexität des Falls oder der Zeit, die der Arzt für sie aufwendet.
- Der Grund: Die mentale Anstrengung, die der Arzt unternehmen muss, um sich um das problematische Verhalten zu kümmern, lenkt ihn zu sehr von der eigentlichen medizinischen Aufgabe ab.
Studien:
In der ersten Studie legten die Wissenschaftler 63 Ärzten eine von zwei Versionen von sechs klinischen Fällen vor, einfachen und komplexen. In der einen Version waren Patienten mit schwierigem Verhalten beschrieben; sie waren fordernd, aggressiv, ignorant, herablassend, misstrauisch und hilflos. In der zweiten Version kamen die gleichen Patienten vor, diesmal aber ohne die störenden Verhaltensweisen.
Die Ärzte wurden aufgefordert, die wahrscheinlichste Diagnose so schnell als möglich aufzuschreiben und dann den gleichen Fall abermals mit mehr Zeit zu beurteilen. Schliesslich mussten sie die Sympathiewerte des Patienten in einer Skala eintragen.
Risiko für Fehldiagnose 42 Prozent höher
Fazit: Das Risiko, dass die Ärzte eine falsche Diagnose stellten, lag bei schwierigen Patienten um 42 Prozent höher als bei neutralen Patienten. Diese Quote gilt für die komplexen Fälle. In den einfachen Fällen lag sie um sechs Prozent höher.
Die Resultate sind unabhängig von der Zeit, in der die Diagnose gestellt wurde.
Die durchschnittlichen Sympathiewerte waren bei den schwierigen Patienten markant tiefer als bei denen, die neutral beschrieben wurden.
Erinnerungsvermögen beeinträchtigt
In der zweiten Studie wurden 74 Assistenzärzte aufgefordert, acht klinische Fälle zu beurteilen. Die Hälfte davon betrafen schwierige Patienten, die anderen neutrale. Nach der Diagnose mussten sich die Ärzte an die klinischen Befunde und das Verhalten jedes Patienten erinnern.
Die Genauigkeit der Diagnose lag 20 Prozent tiefer bei den schwierigen Patienten, obschon der Zeitbedarf in beiden Fällen gleich war. Die Ärzte konnten sich bei den schwierigen Patienten auch weniger an die Befunde und stärker an die Verhaltensweisen erinnern als bei den neutralen Patienten.
Die Forscher schliessen daraus, dass die mentale Energie, die die Ärzte brauchen, um mit dem störenden Verhalten umzugehen, ihre Diagnosefähigkeit beeinträchtigt.
Obschon die Ärzte eigentlich über schwierigen Patienten stehen sollten, sei es eine Tatsache, dass «schwierige Patienten Reaktionen provozieren, die die Vernunft beeinträchtigen, die Befunde beeinflussen und Irrtümer verursachen», schreiben die Forscher.
Mehr Zeit für Reflexion
Die Ärzte Donald Redelmeier und Edward Etchells vom
Centre for Quality Improvement and Patient Safety der Universität Toronto betonen in einem Kommentar, die Ergebnisse bestätigen frühere Studien, wonach unfreundliche Patienten ungünstigere Prognosen haben. Sie schlagen vor, dass Ärzte mehr Zeit für Konsultationen, Reflexion und Teamwork verwenden. Auch Checklisten oder computerbasierte Diagnoseverfahren sollten beigezogen werden, um die Diagnosegenauigkeit bei schwierigen Patienten zu erhöhen.