Nun muss die Bundesanwaltschaft im grossen Stil Spitalrechnungen und Versicherungsprämien kontrollieren. Der Konsumentenschutz hat eine Strafanzeige eingereicht. Er geht davon aus, dass viele Spitäler den Krankenkassen bei zusatzversicherten Patienten systematisch zu hohe Rechnungen ausstellen.
Finma fand zu hohe Rechnungen
Bei seiner Klage stützt sich der Konsumentenschutz auf Kontrollen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) und auf Meldungen von Konsumentinnen und Konsumenten.
Der Konsumentenschutz ist überzeugt: Die betroffenen Versicherungen und Spitäler erfüllen die Straftatbestände der ungetreuen Geschäftsbesorgung, der arglistigen Vermögensschädigung und des Betrugs.
Gängige Praxis?
Weiter geht der Konsumentenschutz davon aus, dass nicht nur einzelne Krankenversicherungen und Leistungserbringer betroffen sind. «Wir haben die Anzeige nicht gegen bestimmte Versicherungen oder Spitäler gerichtet, wir gehen davon aus, dass solche Unregelmässigkeiten in der gesamten Branche und in allen Landesteilen vorkommen», sagte Ivo Meli gegenüber Medinside. Er ist Leiter Gesundheit beim Konsumentenschutz.
Mit der Eröffnung eines Strafuntersuchungsverfahrens erhofft sich die Organisation in einem ersten Schritt Klarheit darüber, wer für diese Misswirtschaft zur Verantwortung gezogen werden müsse. Die Zusatzversicherungen stehen schon einige Zeit unter Rechtfertigungsdruck, wie Medinside unter anderem
hier hier und hier berichtete.
Das hat die Finma festgestellt
Vergangenes Jahr führte die Finma bei etlichen Krankenversicherungen Vor-Ort-Kontrollen durch. Danach kam die Finma zum Schluss: «Arzt- und Spitalrechnungen in der Krankenzusatzversicherung scheinen zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt.»
In vielen Leistungsabrechnungen ist nicht ersichtlich, welche Mehrleistungen der Zusatzversicherung in Rechnung gestellt werden. Die Finma vermutet: «Es kommt zu Doppelverrechnungen.» Das heisst: Leistungen, die bereits in der Grundversicherung enthalten sind, werden noch einmal abgerechnet.
Bei halbprivat- oder privatversicherten Patienten werden auch automatisch höhere Arzthonorare verrechnet, ungeachtet dessen, welche Ärztin und welcher Arzt aktiv wird und ob der jeweilige Patient den Anspruch der freien Arztwahl überhaupt geltend gemacht hat.
So hat die Finma bei ihren Stichproben festgestellt, dass zum Teil rund 40 Ärztinnen und Ärzte Honorare über die Zusatzversicherung bei einem Patienten geltend machten, ohne dass dies begründet worden wäre.
Bei einfachen Operationen für Hüftprothesen wurden in einigen Abrechnungen neben der Fallpauschale von rund 16 000 Franken weitere Kosten bis zu 25 000 Franken der Zusatzversicherung in Rechnung gestellt.
In Spitälern, wo es ohnehin ausschliesslich Zweibettzimmer gibt, wurde Halbprivatversicherten für den Service «Zweibettzimmer» ein Aufpreis verrechnet.
Ein Spital stellte der Zusatzversicherung pro Tag über 350 Franken Mehrkosten für halbprivate Hotellerie-Leistungen in Rechnung. Dies, obwohl die effektiven Mehrkosten offenbar nur rund 200 Franken pro Fall betragen hätten.
Die Finma kann derzeit nicht beziffern, wie hoch die zu viel verrechneten Leistungen im Bereich der Spitalzusatzversicherungen sind. Sie geht aber aufgrund ihrer Analysen für den Gesamtmarkt von einem «signifikanten Betrag» aus, der unrechtmässig erhoben wird.