«Lieber Kollege…»: Zürcher Ärzte wenden sich öffentlich an Ignazio Cassis

Die Zürcher Ärztegesellschaft hat einen offenen Brief veröffentlicht – in Form von Plakaten. Sie hängen in der Umgebung des Curafutura-Sitzes in Bern.

, 19. Juli 2017 um 15:08
image
  • tarmed
  • praxis
  • curafutura
Eines muss man Josef Widler lassen: Der Mann kann für seine Anliegen die Trommel rühren. Ob er mit einer Riesenspritze den Zürcher Regierungsrat aufsucht, um für einen höheren Taxpunktwert zu werben; ob mit Petitionen, mit Aufrufen bei Patienten oder ob einfach mit kernigen Sprüchen; ob mit der Interessengemeinschaft «SOS Santé», welche der Tarmed-Opposition einen neuen Drive verschaffen will: Der Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft und CVP-Politiker weiss, wie man auf unkonventionelle Art Aufmerksamkeit schafft.
In seiner neusten Aktion mischt sich Widler in die Pro- und Contra-Cassis-Debatte ein. Und zwar liess er im Umfeld des Curafutura-Hauptsitzes in Bern Plakate anbringen, in denen die Zürcher Ärzte ihr Einkommen zum Thema machen.

«Von der Hausarztmedizin zum Krankenkassenlobbyisten»

Im Hintergrund steht, dass Bundesratskandidat Ignazio Cassis Präsident des Krankenkassenverbands ist – und dass Curafutura (als eine der wenigen grossen Organisationen des Gesundheitswesens) den Tarifeingriff von Bundesrat Alain Berset unterstützt.
«Der Kronfavorit für Didier Burkhalters Nachfolge im Bundesrat» rege also «eine Debatte über angemessene Arzt-Honorare an», kommentiert die AGZ. Und so stellt Josef Widler (quasi in einem offenen Brief in Plakatformat) die Frage an Ignazio Cassis, ob er «seit seinem Seitenwechsel von der Hausarztmedizin zum Krankenkassenlobbyisten» vergessen habe, wie sich der Tarmed auf das Einkommen der Praxisärzte auswirkt. 

«Hältst du es für angemessen…?»

«Stell Dir vor», schreibt Widler in seinem offenen Brief, ein durchschnittlicher Zürcher Arzt erziele heutzutage ein Praxisergebnis von nur 167‘000 Franken. «Wenn man dieses Praxisergebnis der selbständig praktizierenden Zürcher Ärzte mit dem Bruttolohn eines Angestellten vergleichen würde, müsste man noch die Arbeitgeberbeiträge der Sozialversicherung abziehen und käme auf ungefähr CHF 138‘000. Im Übrigen ist das Durchschnittsalter der Zürcher Ärzte, wenn Sie dieses Einkommen erzielen, 53 Jahre!»
Und so stellt Widler – «mit kollegialem Gruss» – die Frage an Cassis in den öffentlichen Raum, «ob Du es gegenüber Deinen Berufskollegen für angemessen hältst, wenn sie heute nach all ihren Aus- und Weiterbildungen und langjähriger Praxistätigkeit mit über 50 Jahren einen 100%-Tarmed-Bruttolohn von 138‘000 Franken beziehen».
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Notfallpauschalen: Politiker machen Druck auf Versicherer

Im Ständerat fordert eine erste Motion höhere Tarife für Notfalleinsätze und Permanencen.

image

Zürich: Teil-Einigung im Tarifstreit, Taxpunktwert steigt um 2 Rappen

Die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich einigte sich mit HSK und CSS auf einen Wert für die ambulant tätigen Mediziner.

image

Notfallpauschalen: Bundesrat kann nichts tun

Die Landesregierung sieht keine Möglichkeit, dass Bern kurzfristig eingreift. Allerdings wird sie im Tardoc-Verfahren speziell auf die Dringlichkeits-Entschädigungen achten.

image

Cyberattacke auf Praxisgruppe Vidymed

Die Waadtländer Gruppe kämpft mit den Folgen eines Cyberangriffs, der ihre IT-Systeme lahmlegte. Ein Krisenstab sucht allfällige Datenlecks.

image

Krise bei Permanencen und Praxen: Wird der Bundesrat aktiv?

Was bewirkt der Bundesgerichts-Eingriff bei den Notfall-Entschädigungen? Was kann die Politik tun? Dazu muss die Landesregierung am Montag Stellung nehmen.

image

Streik der Genfer Kinderärzte: Jurassische Kollegen könnten nachziehen

Die Kinderärzte des Jura drohen mit einem Ausstand. Offenbar fordern Krankenkassen nun auch von niedergelassenen Ärzten die Rückzahlung früherer Notfall-Entschädigungen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.