«Zwischen 80'000 und 90'000 Franken pro Monat, bezahlt durch die Prämien!»: Alain Berset äusserte sich letzte Woche sichtlich verärgert über den Tarmed-Widerstand der Ärzte – also monierte er ärztliche Spitzeneinkommen im Bereich über einer Million Franken. «Das ist inakzeptabel».
Und so streiten Politik und Ärzteschaft in der Romandie seither über die Honorierung der Mediziner
(mehr). Das Gros der Ärzte fühlt sich in eine Ecke gestellt mit ganz wenigen Spezialisten, die hauptsächlich Privatpatienten betreuen. Und sie stellen klar, dass sich aus den Tarmed-Tarifen alleine bei weitem keine Million erzielen lässt.
Urologie, Gastroenterologie, Radiologie
Einen weiteren Höhepunkt erlebte die Debatte gestern abend, als sich die TV-Sendung «Infrarouge» dem Thema widmete, also quasi die «Arena» der Westschweiz.
Zur Diskussion wurde auch BAG-Chef Pascal Strupler zugeschaltet. Bersets höchster Gesundheitsbeamter wandte sich sogleich gegen die Relativierungen der Ärzteschaft. «Es gibt etwa 140 Ärzte», so Strupler, «die auf Basis der Grundversicherung eine Million Franken verdienen». Konkret nannte der BAG-Chef die Felder der Urologie, der Gastroenterologie und der Radiologie.
Umsatz oder Lohn? Pascal Strupler, Philippe Eggimann
Philippe Eggimann, der Präsident der Waadtländischen Ärztegesellschaft, widersprach sogleich vehement: «Hören Sie auf, 140 Ärzte zu nehmen, bei denen man nicht weiss, ob Sie Umsatz oder Lohn meinen, um zu beweisen, dass die 40'000 Schweizer Ärzte Millionäre sind», rief der Intensivmediziner. Immer noch vermische Strupler Umsatz und Lohn.
Santésuisse-Direktorin Verena Nold legte in diesem Zusammenhang fast schon salomonische Zahlen vor: Ihr Verband habe die Umsätze pro Praxis berechnet – erzielt via Grundversicherung – und diese in Zusammenhang gesetzt zu den Ärzten pro Praxis. Tatsächlich gebe es viele Praxen, die pro Mediziner 1,5 bis 1,7 Millionen Franken erreichen.
Minus 50 Prozent, minus 55 Prozent
Wobei einzukalkulieren ist, dass das Einkommen des Arztes höchstens die Hälfte des Umsatzes ausmacht; der Genfer Chirurg Jean-Marc Heinicke erwähnte sogar, dass es in seinem sogar weniger sind und 55 Prozent abgezogen müssen. Die hohen Grundkosten sind mit eine Erklärung dafür, dass die sich die Ärzteschaft im Stadtkanton teilweise im «Bummelstreik» gegen den neuen Tarmed befindet und gewisse Eingriffe vorübergehend verweigert.
Ganz harte Zahlen fehlen letztlich weiterhin; BAG-Direktor Pascal Strupler kündigte hierzu neue Informationen für kommendes Frühjahr an. Die letzten FMH-Zahlen aus dem Jahr 2009 wiesen schweizweit knapp 100 Ärzte aus, die mehr als eine Million verdienten; das Medianeinkommen der Praxisärzte erreichte damals 190'500 Franken.