Patientendossier soll auch für Ärzte nicht freiwillig sein

Wie kann die Akzeptanz des Elektronischen Patientendossiers (EPD) erhöht werden? Indem man es für Ärzte als verbindlich erklärt.

, 18. März 2021 um 07:00
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Vor über zwei Jahren,  Mitte Dezember 2018,  verlangte der Waadtländer FDP-Nationalrat Laurent Wehrli vom Bundesrat einen Bericht darüber, wie die Einführung des Elektronischen Patientendossiers (EPD) beschleunigt werden könne. Wie hier berichtet, lässt das EPD weiter auf sich warten. Wehrli ist auch Verwaltungsrat der Abilis, der Stammgemeinschaft der Apothekerinnen und Apotheker.
Nachdem der Bundesrat selber für die Annahme des Postulats plädierte, sollte nun der von Wehrli gewünschte Bericht im Sommer 2021 vom Bundesrat verabschiedet werden.

Langwierige Zertifizierung

Einer der Hauptgründe für die Verzögerung liegt im langwierigen Zertifizierungsverfahren. Die Stammgemeinschaften müssen von Zertifizierungsstellen zertifiziert werden, die ihrerseits von der Schweizerischen Akkreditierungsstelle SAS, einer beim Seco angesiedelten Bundesbehörde, akkreditiert werden müssen.
Walter Stüdeli ist Geschäftsführer der IG eHealth. Nach seiner Einschätzung liegt eines der Probleme darin, dass die Zertifizierer keinen klaren Regeln unterworfen sind. Sie nähmen es allzu genau, ist zu hören. Sie hätten finanzielle Anreize an zusätzlichen Prüfungen.
Zwei Gesellschaften sind am Zertifizieren: die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sowie die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme (SQS).

Die Kosten laufen aus dem Ruder

Für die Zertifizierung einer Stammgemeinschaft sind laut Botschaft des Bundesrats 50'000 bis 100'000 Franken veranschlagt worden. Im Extremfall kostet es nun bis zehnmal mehr.
So geistert in Bundesbern die Idee herum, dass die gesetzlich geforderte Zertifizierung durch eine staatliche Anerkennung ersetzt wird. Dazu ist aber eine Gesetzesänderung notwendig. Bis es soweit ist – wenn überhaupt – dürften alle Stammgemeinschaften zertifiziert sein.

Zertifizierung ist ein laufender Prozess

Dazu muss man aber wissen, dass die Zertifizierung ein laufender Prozess ist. Wird eine neue Anwendung wie zum Beispiel der eMedikationsprozess ins EPD integriert, sind Anpassungen an der Architektur notwendig, was wiederum Zertifizierungen auslöst. Zudem müssen die Stammgemeinschaften alle drei Jahre rezertifiziert werden.
Doch Laurent Wehrli geht es nicht nur um eine Beschleunigung, sondern ebenfalls um die Akzeptanz. «Es ist zu befürchten, dass die Verwendung und damit der Nutzen des EPD noch lange unter den Erwartungen bleiben», schrieb er im Dezember 2018 im Postulat. Ein Grund dafür sei, dass dessen Einführung bei den Leistungserbringern im ambulanten Bereich, sprich Ärztinnen und Ärzte, freiwillig sei.

EPD soll für Ärztinnen und Ärzte nicht freiwillig sein

Gerade das soll sich ändern. Nach dem Nationalrat hat nun in der laufenden Session auch der Ständerat eine entsprechende Motion der Gesundheitskommission überwiesen. Danach werden alle Leistungserbringer und Gesundheitsfachpersonen verpflichtet, sich einer zertifizierten Gemeinschaft oder einer Stammgemeinschaft anzuschliessen. Was nichts anderes heisst, dass auch Ärztinnen und Ärzte, Phsyios, Apotheken und Drogerien elektronische Patientendossiers führen müssen.
Dies ist nicht ohne Brisanz: Bei der Einführung des EPD hat sich das Parlament ausdrücklich für die doppelte Freiwilligkeit ausgesprochen – freiwillig für Gesundheitsfachpersonen im ambulanten Bereich; freiwillig für Patientinnen und Patienten. Nur stationäre Einrichtungen wie Spitäler, Pflegeheime und Geburtshäuser sind verpflichtet, das EPD einzuführen.

So verhinderte man das Referendum

Diese Freiwilligkeit hat einen pragmatischen Hintergrund: Das EPD sollte möglichst rasch eingeführt werden. Hätte man Ärztinnen und Ärzte die genannte Freiwilligkeit nicht gewährt, so wäre mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gegen das Gesetz das Referendum ergriffen worden. Dies hatte die FMH zumindest glaubwürdig angedroht. Und was schliesslich das Stimmvolk dazu gesagt hätte, kann man etwa erahnen – spätestens seit dem Nein zum E-ID-Gesetz von Anfang März. 
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