«Die Schweiz ist für viele deutsche Ärzte ein Traum»

Allerdings: Für Schweizer Assistenzärzte kann die Arbeit an einem deutschen Krankenhaus interessant sein. Die Nachfrage steige, sagt Martin Werner von DocsGoSwiss im Kurzinterview.

, 21. August 2024 um 12:49
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Martin Werner  |  Bild: zvg
Im vergangenen Jahr wanderten 788 Ärzte in die Schweiz ein. Wie steht es um den umgekehrten Fall – dass Schweizer Ärzte nach Deutschland auswandern?
Tatsächlich höre ich vermehrt, dass sich Schweizer Assistenzärzte für einen Job an einem deutschen Krankenhaus interessieren. Durch den massiven Fachkräftemangel in Deutschland werden junge Ärzte oft stärker in die Verantwortung genommen, ihr Tätigkeitsgebiet ist viel breiter, sie können direkt loslegen und Erfahrungen sammeln. Im deutschen Gesundheitswesen sind ausserdem die Fallzahlen höher und die Eingriffe enger getacktet. Dadurch können die Ärzte in Weiterbildung oft schneller unter Belastung operieren. Allerdings: Für eine Oberarzt- oder Chefarztstelle wird wohl eher selten ein Schweizer Arzt nach Deutschland auswandern.

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In diese europäischen Länder wanderten 2023 die meisten Ärzte aus Deutschland ab.

Die Schweiz bleibt also weiterhin attraktiv auch für deutsche Ärzte?
Absolut. Die Arbeitsbedingungen an deutschen Spitälern stehen in der Kritik und der Fachkräftemangel ist nicht mit jenem in der Schweiz zu vergleichen. Für viele deutsche Ärzte bleibt ein Wechsel in die Schweiz deshalb nach wie vor ein grosser Traum. Auch wenn die Schweizer Zugangsbeschränkungen im ambulanten Sektor manche Mediziner verunsichert haben und die Planungssituation schwieriger macht. Einige Ärzte haben es als Signal verstanden, dass die Schweiz keine ausländischen Mediziner haben will.
«Die kulturellen Unterschiede sind viel grösser als das gemeinsame Sprachverständnis zunächst vermuten lässt.»

Das Schweizer Gesundheitswesen wäre ohne ausländische Ärzte und Pflegefachkräfte aufgeschmissen.
Auch in den Nachbarländern herrscht ein Ärztemangel, weshalb sich dort die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert haben. Die Schweiz muss aufpassen, dass sie hier den Anschluss nicht verliert.
Wie meinen Sie das?
Teilweise erleben deutsche Ärzte, die sich für eine Stelle in der Schweiz bewerben, ein doch recht zurückhaltendes Verhalten. Sie warten teilweise sehr lange auf eine Rückmeldung zu ihrer Bewerbung, Vorstellungs- und Hospitationstermine lassen auf sich warten. Dies kann schnell als Abweisung aufgefasst werden. In Deutschland werden sie umworben – auch mit aussertariflichen Bezahlungen, Befreiung von Diensten oder höheren Sozialleistungen (Ferien, Elternzeit).
Hier darf noch stärker auf die Bedürfnisse und Erwartungen der ausländischen Ärzte eingegangen werden - damit das Interesse an der Schweiz auch in einen Wechsel umgemünzt wird.
«Für eine Oberarzt,- oder Chefarztstelle, wird wohl eher selten ein Schweizer Arzt nach Deutschland auswandern.»
Jüngst titelte eine Schweizer Zeitung «Unbeliebte Schweizer: Deutsche flüchten nach Hause». Was braucht es, damit das Leben in der Schweiz gelingt?
Die Schweiz hat eine eigene Kultur. Die kulturellen Unterschiede sind viel grösser als das gemeinsame Sprachverständnis zunächst vermuten lässt. Jeder hat ein Bild von der Schweiz, auch wenn er noch nie länger hier gelebt hat. Und so entstehen ganz schnell falschen Vorstellungen oder Erwartungshaltungen gegenüber den Schweizern und den Schweizer Arbeitgebern. Aber auch gegenüber den Zuwanderern. Für eine erfolgreiche Integration braucht es beide Seiten – die Person die zuwandert und Integrationsangebote in der Schweiz. Dies beschränkt sich nicht nur auf den Beruf, sondern gerade im privaten Umfeld ist ein kulturelles Onboarding sehr wichtig.
Martin Werner berät Ärzte beim Auswandern in die Schweiz und Schweizer Arbeitgeber bei der Gewinnung medizinischer Fachkräfte. Er ist selber 2016 in die Schweiz ausgewandert, lebt mit seiner Partnerin (Ärztin) und seinen zwei Kindern in der Schweiz. Diese Erfahrungen gibt er in seiner Auswanderbegleitung weiter – beispielsweise auch in seinem Podcast DocsGoSwiss.

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