Vier Jahre hatte man verhandelt, und jetzt ist offenbar keiner recht glücklich mit der «Tarvision» – also dem neuen Tarifmodell für die ambulante Mediizin in der Schweiz. Die einen fürchteten Mehrkosten trotz allem, die anderen Benachteiligung, die dritten Abstriche bei den Einnahmen – schon seit April wurde spürbar, dass sich dieser Kreis nicht quadrieren lässt und offenbar nur eine Minderheit der Ärzte bereit ist, für die von Bundesrat Alain Berset geforderte Kostenneutralität selber Abstriche zu machen.
So schien es jedenfalls letzte Woche, nachdem sich auch die FMH-Mitglieder gegen das vorgelegte Paket ausgesprochen hatten. Ganz beerdigt ist die Sache zwar noch nicht: Der Spitalverband H+, der sich für die erarbeitete Tarvision-Version einsetzt, und der Kassenverband Curafutura könnten das Modell immer noch dem Bundesrat zur Annahme vorlegen – und H+ hat solche Absichten auch bereits angekündigt.
Fortsetzung des alten Musters
Aber ob das in Bern akzeptiert würde? Hinter dem H+-Vorschlag stehen weder eine Mehrheit der Leistungserbringer noch eine Mehrheit der Kassen; und dies war immerhin eine Bedingung beim Start der Revisionsarbeiten.
Wahrscheinlicher also wohl, dass der Bundesrat eingreift und, wie schon 2014 geschehen, einen Tarif festsetzt. Was wiederum eine Fortsetzung des alten Musters mit sich bringen könnte – nämlich dass Gesundheitsminister Berset bei den Spezialärzten gewisse Abstriche und bei den Hausärzten gewisse Verbesserungen durchsetzen will.
Bis 2018 gälte noch der alte Tarmed
Oder aber es wird noch rasch eine kategorische neue Lösung hervorgezaubert. Einen konkreten Vorschlag gibt es wohl bald: Er kommt von Santésuisse.
Der grösste Kassenverband der Schweiz hat angekündigt, zusammen mit den fmCH-Spezialärzten einen neuen Arzttarif zu erarbeiten, der auf Pauschalen setzt. Mit fixen Preisen für eine Einzelbehandlung werde eine effiziente Leistungserbringung belohnt, so die Argumentation.
Also wollen Santésuisse und fmCH nun solch ein Modell dem Bundesamt für Gesundheit vorlegen. Ziel: Ab 2017 soll der neue Tarif in einer Testphase geprüft werden. Und ab 2018 könnte der Tarif integral zur Anwendung kommen. Bis dahin dürften Ärzte und Spitäler weiterhin mit dem bestehenden Einzelleistungstarif Tarmed abrechnen.
Pauschales Vorbild Spitäler
Gegenüber der
«Neuen Zürcher Zeitung» (Print) erläuterte Santésuisse-Direktorin Verena Nold das geplante Modell. Den Bereich der Grundleistungen wollen Santésuisse und fmCH nur indirekt antasten. Fallpauschalen soll es da nur in den teuren Spezialgebieten wie Bildgebende Techniken, Ophthalmologie, Kardiologie, Bewegungsapparat, Dermatologie sowie Vor-/Nachbereitung im Ambulatorium geben: Nur Grundleistungen, die in diesen Bereichen erbracht werden, würden unter eine Pauschale fallen.
Wie im Spitalbereich kann sich Verena Nold auch abgestufte Pauschalen vorstellen, so dass es für die Behandlung von Patienten mit komplizierten Krankheitsbildern mehr Geld gäbe. Der Gefahr, dass die Ärzte bei Fixbeträgen eher zu wenig als zu viel machen, «müsste man mit guten Qualitätskontrollen entgegenwirken», so Nold in der NZZ.
Angst vor staatlichem Druck
Interessant dabei die Überlegungen der fmCH. Die im hier diskutierten Vorschlag enthaltenen Abstriche seien für die Spezialärzte längerfristig sinnvoll, so Verbandsdirektor Markus Trutmann: Wenn die Ärzte versuchten, unvernünftig viel Geld rauszuholen, fahre man gegen die Wand. «Die Lage bei den Prämienzahlern ist jetzt schon angespannt, da kann man doch keinen Tarif einführen, der die Kosten weiter in die Höhe treibt.» Und damit würde der Druck auf staatliche Interventionen steigen.
Zudem vereinfachten Pauschalen die Administration und zwingen die Ärzte, ihre Mittel möglichst effizient einzusetzen – auch wären für Trutmann Vorteile, deren sich die Spezialärzte bewusst seien.