Seit Ende November 2021 stossen die Intensivstationen der beiden Thurgauer Kantonsspitäler an ihre Kapazitätsgrenze. Der Grund dafür ist die Zunahme von Patienten mit Covid-19, «nahezu alle ungeimpft», schreibt Stefan Duewell, Ärztlicher Direktor des Kantonsspitals Frauenfeld, in der Medienmitteilung der Thurgauer Kantonsspitäler (STGAG) von heute morgen. Bisher habe man die Zunahme dieser Patienten dadurch aufgefangen, dass Operationen von Patienten, die nach der Operation einen Platz auf der Intensivstation benötigt hätten, verschoben wurden.
«Kapazitätsengpässe konnten ferner durch Verlegung einzelner Patienten auf Intensivstationen anderer Kantone überwunden werden. Dies erweist sich als zunehmend unmöglich, da die Intensivstationen in der ganzen Schweiz ebenfalls an ihre Grenzen stossen.» Die Schaffung von ad hoc Betten auf den Intensivstationen, wie zu Beginn der Pandemie, sei kaum noch möglich, weil das entsprechende Personal nach vier Covid-19-Wellen nicht mehr vorhanden sei.
«Kein Licht am Ende des Tunnels»
Hinzu komme, dass in der aktuell fünften Welle kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei: «In den jeweils vorangegangen Wellen konnte man auf die Wirkung strenger behördlicher Massnahmen, den Beginn der wärmeren Jahreszeiten oder den Effekt einer Durchimpfung der Bevölkerung hoffen. Aktuell fehlen aber die griffigen Massnahmen, der ganze Winter steht noch vor der Tür und ein zu grosser Anteil der Bevölkerung ist nicht geimpft», heisst es weiter.
Trotz äusserstem Einsatz aller Mitarbeiter würde man sich nicht nur um die medizinische Betreuung der an Covid-19 erkrankten Patienten, sondern auch um die medizinische Versorgung der nicht an Covid-19 erkrankten Patienten kümmern.
«Es besteht die Gefahr, dass diese Patienten dringlich notwendige Operationen, die nur mit gleichzeitiger Behandlung auf einer Intensivstation möglich sind, nicht mehr erhalten. Die durchschnittliche Liegedauer eines Patienten auf der Intensivstation beträgt rund zwei bis vier Tage», schreibt Duewell im Namen aller Chefärzte. Bei Covid-19 Patienten sei es im Durchschnitt zwei bis vier Wochen bei deutlich erhöhtem Betreuungsaufwand durch Isolationsmassnahmen.
«Das heisst, ein Covid-19-Patient benötigt Ressourcen, die sonst etwa zehnt Patienten zur Verfügung stehen würden. Die längere Liegedauer führt auch unweigerlich dazu, dass mit der Zeit nur noch Covid-19 Patienten auf der Intensivstation liegen, wenn man nicht die Anzahl der für sie zur Verfügung stehenden Plätze begrenzt.»
Da mit einer Erhöhung der Impfrate in der Schweiz eher nicht zu rechnen sei, «obwohl dadurch das Problem weitgehend behoben werden könnte», und die kalte Jahreszeit noch lange andauern werden, seien strengere behördliche Massnahmen der einzige Weg eine funktionierende Gesundheitsversorgung für alle aufrecht zu erhalten.
«Wir schliessen uns deshalb gerne der im letzten Newsletter der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften geäusserten Forderung nach schärferen Massnahmen an und appellieren an die Behörden, diese zu ergreifen sowie an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen.»