1 Milliarde Franken: So viel betrugen die Verluste der Schweizer Spitäler, Reha-Kliniken und Psychiatrien im Jahr 2023. Die Zahl stammt aus einer Studie der Auditing- und Beratungsfirma KPMG, welche wiederum die Geschäftsberichte von 48 Gesundheits-Organisationen analysierte sowie Gespräche mit CFOs und CEOs führte.
Laut der Hochrechnung schrieben sieben von zehn Gesundheitsinstitutionen im Geschäftsjahr 2023 rote Zahlen – kumuliert dürfte sich dann der erwähnte Milliardenbetrag ergeben haben. Die durchschnittliche Ebitda-Marge lag bei (mageren) 1,8 Prozent. Einzig die Reha-Kliniken schafften es, sich dem Trend entgegenzustemmen: Hier stieg die durchschnittliche Ebitda-Marge 2023 leicht an.
Aus den Aussagen der befragten CFO und Spitalchefs rechnet KPMG hoch, dass die Krankenhäuser einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 4,5 Milliarden Franken haben. Das entspricht etwa dem, was die Eidgenossenschaft jährlich für die Bahn-Infrastruktur ausgibt.
Denn die Aussichten bleiben trübe. Für das laufende Jahr 2024 prognostiziert die Hälfte der CFO, dass die Ebitda-Margen weiter sinken werden, während die andere Hälfte mit einem Plus rechnet. «Im Schnitt geht die Branche von einer Zunahme der Ebitda-Margen von 0,6 Prozent aus», so der Bericht. Dieser Trend werde sich 2025 fortsetzen, wobei der Anteil der positiven Prognosen unter den CFOs immerhin leicht zunimmt – auf 60 Prozent.
Oder anders: Der Betriebsgewinn bleibt auf einem Niveau, das nicht nachhaltig sein kann. Darin sind sich die befragten Spital-Finanzchefs (fast) einig: 96 Prozent sehen keine Möglichkeit, dass sie langfristig eine Ebitda-Marge von 10 Prozent erreichen können – also jene Grenze, die laut der gängigen Theorie eine solide Langfrisat-Finanzierung sichert.
Und folglich sagen ebenfalls fast alle CFO (86 Prozent), dass sie demnächst einen ausserordentlichen Finanzbedarf haben werden.
Kurzfristige Verbesserungen bei den Betriebsgewinnen scheinen kaum möglich, so die KPMG-Autoren. Angesichts anstehender Aufwände bei Infrastruktur und Digitalisierung, aber auch wegen der höheren Zinsen werden sich die Verluste noch erhöhen. Immerhin: Mittelfristig gebe es ein gewisses Potential durch Effizienzsteigerungen.
Die klamme Lage der Spitäler ist insofern bemerkenswert, als die Umsätze im letzten Jahr stiegen: Sie legten laut der KPMG-Erhebung um 3,3 Prozent zu. Dies insbesondere wegen steigenden Einnahmen im ambulanten Bereich.
«Der Warnschuss beim GZO Spital in Wetzikon wird offenbar genauso wahrgenommen: als Warnschuss. Aber nicht als Regel.»
Aber eben: Das Kostenwachstum war 2023 noch deutlicher. Laut den KPMG-Daten stieg beispielsweise der Personalaufwand um 8 Prozent – es war das stärkste Wachstum seit 2019.
Anderswo würde man bei all diesen Zahlen längst von einer Krisen- oder Pleitebranche sprechen, aber Spitäler sind auch «too important to fail»: Zwei von drei CFOs gehen von einer impliziten Staatsgarantie aus. Der Warnschuss beim GZO Spital in Wetzikon – dem die Zürcher Regierung solch eine Garantie verweigerte – wird offenbar genauso wahrgenommen: als Warnschuss. Aber nicht als Regel.
2,5 Prozent für die Digitalisierung
Allerdings dürfte die schwierige Lage der Klinikbranche bald für viel Bewegung sorgen. Im Umfrage-Sample von KPMG erwägen drei von vier Spitalmanager in den nächsten zwölf Monaten Kooperationen; und ein Viertel prüft Akquisitionen.
Zusammenarbeits-Formen werden vor allem im Bereich der Patientenversorgung (54 Prozent) und der IT (43 Prozent) anvisiert. Im Hintergrund steht dabei auch, dass die CFOs im Schnitt 2,5 Prozent des Umsatzes für die IT und die Digitalisierung vorsehen. Dies ist ein Wert, der bei den anstehenden Herausforderungen wohl arg knapp bemessen ist – und der damit auch die Zwangslage der Häuser spüren lässt.
Insgesamt scheint klar: Die Anzahl der Gesundheitseinrichtungen wird und muss sinken.
Drei von vier der CFO stimmen der Aussage zu, dass die Zukunft in einem Hybridmodell liegt, bestehend aus Zentren für spezialisierte Behandlungen sowie dezentrale Einheiten für die Grundversorgung. Als am ehesten verzichtbar gelten Allgemeinspitäler der Grundversorgung (57 Prozent der Experten nennen diese Gruppe); aber auch gewisse weitere Zentrumsversorger sowie Spezialkliniken werden öfters als gefährdet betrachtet (50 Prozent).