Unser Gesundheitssystem ist mässig – wegen der Bürokratie

In der vielbeachteten Vergleichsstudie des Commonwealth Fund landet die Schweiz im Schlussdrittel. Zwar stimmt die medizinische Qualität. Aber Ineffizienz herrscht.

, 25. September 2024 um 10:51
image
«Lower performing»: Rangierung von zehn Staaten in der Untersuchung des Commonwealth Fund.
So super ist das Schweizer Gesundheitswesen nun auch wieder nicht: Dies wäre in etwa eine Kernaussage einer Studie, welche der Commonwealth Fund in New York soeben publiziert hat.
Die Stiftung erarbeitet alle drei Jahre eine aufwändige und vielbeachtete Untersuchung, in der sie die Gesundheitssysteme ausgewählter reicher Staaten miteinander vergleicht. Diesmal kamen zehn Länder auf den Prüfstand. Am Ende schafften es Australien, die Niederlande und Grossbritannien auf die Medaillenränge: Sie erreichten die beste Gesamt-Performance.
Abgeschlagen am Schluss: die USA.
Und die Schweiz? Sie glänzte auch nicht unbedingt: Rang acht von von zehn erfassten Nationen.

70 Indikatoren

Insgesamt legten die Analysten des Think Tank 70 Indikatoren an die Gesundheitssysteme an – verteilt auf fünf Felder: Betreuungsprozesse, Zugänglichkeit, administrative Effizienz, Gerechtigkeit und medizinische Resultate.
Auf den ersten Blick mag der dritte Rang für Grossbritannien erstaunen: Das staatliche britische NHS-System gilt ja oft eher als Drohkulisse denn als Vorbild. In der Erhebung aus Amerika konnten die Briten aber bei den Gleichheits-Aspekten punkten; zum Beispiel bietet das System viel Prävention (ein Kriterium im Kapitel «Betreuungsprozesse»). Und die Effizienz wurde als spitzenmässig beurteilt.
Andererseits schnitt Grossbritannien bei den medizinischen Resultaten und bei der Betreuungsqualität eher schlecht ab – also auf zwei ziemlich entscheidenden Feldern.
Die siegreichen Australier wiederum punkteten unter anderem mit hoher Effizienz (Performance und Qualität im Verhältnis zu den Augaben), aber zugleich mit überdurchschnittlichen medizinischen Resultaten (was zum Beispiel mit der Lebensdauer gemessen wurde).
Die Niederlande waren stark bei der Zugänglichkeit zur Gesundheitsversorgung, bei den Betreuungsprozessen und bei der Gerechtigkeit.

«Coverage restrictions» als «major problem»

Für die Schweiz befragten die Tester aus New York unter anderem rund 2’200 Erwachsene. Dabei wurde etwa untersucht, wieviel Zeit sich die Ärzte nehmen – oder andererseits, wie sehr sich die Ärzte über Bürokratie beklagen.
Oder es wurde gemessen, wieviel Zeit Grundversorger verbringen müssen mit «administrative issues related to insurance or claims or time spent getting patients needed medications or treatment because of coverage restrictions is a major problem».
Es waren solche Aspekte, welche die Schweiz nach unten zogen: Im Feld der «Administrative Efficiency» endete sie als Schlusslicht. Als mögliche Ursache dafür vermuten die Autoren des Commonwealth Fund auch die kantonale Zersplitterung.
Ebenfalls enttäuschend erscheint der Zugang zur Gesundheitsversorgung – Platz 8. Den Kern des Problems bilden hier die hohen Kosten für die Patienten.
Derweil konnte sich die Rangierung bei der medizinischen Qualität – «Health Outcomes», Rang 2 – sowie bei der Gleichheit (Rang 4) sehen lassen.
  • Grundversorgung: Die Schweiz ist gut – aber sie war auch schon besser. Eine internationale Vergleichsstudie zeigt, dass andere Länder uns bei der Verfügbarkeit überholt haben.

  • Gesundheitskosten
  • Bürokratie
  • ranking
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Laborkosten: Der Tarifschnitt ist schon verpufft

Die Bemühungen zur Senkung der Laborkosten sind gescheitert – Politik fordert zusätzlich Tarifsenkungen.

image

Mit einer Karte gegen Apotheken-Taxen

Die Stiftung für Konsumentenschutz macht Druck gegen die Sonderkosten durch so genannte «Medikamenten-Checks» und «Bezugs-Checks».

image
Gastbeitrag von Felix Huber und Guido Klaus

Koordinierte Versorgung braucht Anreize – keine neue Regulierung

Hausarztmodelle sind oft ein Rettungsanker für chronisch Kranke. Wenn wir nicht aufpassen, würgt das Spar-Massnahmenpaket des Bundes hier viele Chancen ab.

image

Sagen Sie es uns: Welches Spital soll geschlossen werden?

Regelmässig hört man, die Schweiz solle auf Spitäler verzichten. Also gut: Werden wir konkret. Welche Häuser sollen weg? Medinside sucht die Namen.

image
Gastbeitrag von Yvonne Feri

Patienten zwischen Hammer und Amboss

Im Gesundheitswesen brennt es primär bei den Kosten – so die allgemeine Wahrnehmung. Wenn das so weitergeht, brechen düstere Zeiten an für Menschen mit chronischen Krankheiten.

image
Gastbeitrag von Niklaus Meier und Katharina Blankart

Arzneimittelpreise: Das Swiss Drug Pricing Model könnte Klarheit schaffen

Ein neues Modell hilft, für neue Medikamente den angemessenen Preis zu ermitteln – und so den Verhandlungspartnern Orientierung zu bieten. Die Basis: Effizienz und Evidenz.

Vom gleichen Autor

image

Grippeimpfung für den Hausgebrauch – Sammeltest für 12 Atemwegsviren

In den USA will die FDA die Grippeimpfung fördern: Man kann sie jetzt als Nasenspray aus der Online-Apotheke bestellen – rezeptfrei. Und: Roche kündigt Test-Revolution an.

image

Geplant und verworfen: Ein Zentrumsspital an der Linth

Das Spital Lachen, das Spital Linth und das KSGL liessen Experten ein Fusionsprojekt erarbeiten.

image

SAKK: Aspirin als Mittel gegen Darmkrebs

Eine internationale Studie unter Leitung von Onkologen aus Thun und St. Gallen zeigte eine starke Wirkung bei bestimmten Patienten.