Immer mehr Spitäler rutschen in die roten Zahlen. Das Kantonsspital Graubünden, das am Mittwoch seine
Jahreszahlen 2023 präsentierte, gehört mit der schwarzen Null schon fast zu den Ausnahmen.
CEO Hugo Keune nennt die Schuldigen für die Spital-Not beim Namen: die Krankenkassen. Ohne faire Tarife sei ein wirtschaftliches Überleben und damit eine breite und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung nicht mehr möglich, sagt er im Mediencommuniqué zu den Jahreszahlen. Die Spitäler würden durch die Tarifentwicklung langsam, aber sicher ausgehungert.
Kassen weigern sich
Schlussendlich sei das Resultat ja vor allem dem grossen Einsatz der Mitarbeitenden zu verdanken, was aber die Krankenkassen bei den Tarifverhandlungen schlicht nicht interessiere. «Diese weigern sich hartnäckig, nur schon die Teuerung weiterzugeben. Das bringt uns Spitäler zusätzlich unter Druck», so Keune weiter.
Zudem würden die Krankenkassen aufwändige Verfahren provozieren. «So werden Spitäler wegen der benötigten Liquidität gezwungen, Tarifverträge unter den Selbstkosten abzuschliessen – und die stetige Zunahme der Nachfrage nach Leistungen, die unter den Selbstkosten angeboten werden müssen, führt zu immer höheren Verlusten», so Keune weiter.
Die Forderung ist klar: Die Krankenkassen müssen mindestens einen vollen Teuerungsausgleich auf die Tarife vor der Pandemie gewähren.
«Die Spitäler sind nicht gezwungen, dem von den Verbänden ausgehandelten Tarifvertrag beizutreten.»
Frage an den Gesundheitsökonomen Heinz Locher: «Sie hatten die zu tiefen Fallpauschalen und die zu tiefen ambulanten Tarife auch schon kritisiert. Dass man die Spitälern aushungern lasse, sind Ihre Worte. Sind die Krankenkassen schuld an der Misere?»
«Jein», sagt der Gesundheitsökonom. «Die Kantone sind ebenfalls nicht unschuldig.»
Das geht so: Die Kantonsregierungen müssen die Tarife überprüfen und genehmigen. Dabei haben sie sicherzustellen, dass die Tarife gesetzeskonform sind. Wenn die Tarife die Kosten nicht zu decken vermögen, so sind sie nicht gesetzeskonform. Siehe dazu Artikel 43 des Krankenversicherungsgesetzes (KVG).
Darin steht, dass bei der Tarifierung auf eine betriebswirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur der Tarife zu achten sei. Die Kantone, so Locher, hätten es in der Hand, gesetzeskonforme Tarife festzulegen.
Spitäler auch selber schuld
Aber die Spitäler seien auch nicht unschuldig an der herrschenden Tarifkrise. «Sie sollten die Verträge nicht unterschreiben, wenn der gesetzliche Auftrag mit den ausgehandelten Tarifen nicht erfüllt werden kann.» In solchen Fällen muss die Kantonsregierung aktiv werden.
Im KVG steht es so: «Kommt zwischen Leistungserbringern und Versicherern kein Tarifvertrag zustande, so setzt die Kantonsregierung nach Anhören der Beteiligten den Tarif fest.»
Lochers Vorwurf zielt nicht nur in Richtung der Verbände, welche die Tarife aushandeln, sondern auch in Richtung der betroffenen Spitäler. «Die Spitäler sind nicht gezwungen, dem von den Verbänden ausgehandelten Tarifvertrag beizutreten», sagt Locher. Sie könnten selber den Tarifvertrag aufsetzen und ihn den Kassen unterbreiten. Falls die Kassen den Vertrag ablehnen, sei es wiederum an der Kantonsregierung, darüber zu befinden und den Tarif festzulegen.
Warum wird das nicht gemacht? Warum treten die Spitäler einem Tarifvertrag bei, der den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt?
Heinz Locher: «Wahrscheinlich kennen sie ihre Kompetenzen nicht, oder sie fürchten den Aufwand und wollen sich nicht exponieren.»