«Frau Bundesrätin, lassen Sie den lächerlichen Streit beiseite...»

In der Ständerats-Debatte zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen waren auch Tarmed und Tardoc ein Thema.

, 13. Juni 2024 um 22:06
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Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider in der Ständeratsdebatte zu den Kostendämpfungs-Massnahmen. | Screenshot Parlament.
Geschlagene fünf Stunden sprach der Ständerat am Donnerstagmorgen über Kostendämpfungs-Ideen im Gesundheitswesen. Die Eintretensdebatte glich mitunter einer «Chropfleerete». Hier eine Übersicht prägnanter Aussagen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Damian Müller, FDP, Luzern

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Damian Müller
  • «Unser Gesundheitssystem ist krank. Die Qualität ist zwar noch hoch, die Kosten sind es aber eben auch. Die Versorgung wird schlechter, der Trend geht klar in die falsche Richtung.» (...)
  • «Die heute zu behandelnde Vorlage ist nun die x-te Anpassung des KVG innert weniger Jahre. Fast im Monatstakt kommt der Bundesrat mit neuen Revisionsentwürfen; danach folgen umfassende Verordnungsanpassungen, welche wir in letzter Zeit wegen ihrer enormen Auswirkungen auch noch genau anschauen mussten. Mit dieser Häufung an Revisionen nimmt die Qualität der Gesetzgebungsarbeit ab.» (...)
  • «Diese Ruhelosigkeit ist schädlich und widerspricht der verantwortungsvollen Arbeit. Es bräuchte deshalb einmal eine richtige Gesamtbetrachtung, eine kurze Pause, in der man sich mit allen Stakeholdern zusammentut, um das Gesundheitssystem und die Lösungsmöglichkeiten gemeinsam und ganzheitlich anzuschauen und anzugehen.»

Peter Hegglin, Mitte, Zug

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  • «Trotz immer höherer Kosten steigen offenbar auch die Spitaldefizite. Der Kanton Bern will diesbezüglich einen 100 Millionen Franken schweren Rettungsschirm schaffen. Der Kanton Aargau rettete 2023 das Kantonsspital Aarau mit einer Finanzspritze im Umfang von 240 Millionen Franken. Und der Kanton St. Gallen griff den Spitälern 2022 mit 163 Millionen unter die Arme. Diese Gelder schlagen sich letztlich in den Steuern nieder, oder sie fehlen andernorts.» (...)
  • «Der Leistungskatalog im KVG wird laufend ausgebaut, statt dass er mittels regelmässiger Überprüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit gestrafft würde. In den vergangenen Jahren wurden zum Beispiel Podologen, Neuropsychologen und psychologische Psychotherapeuten neu zu Leistungserbringern, und sie können gegenüber den Krankenversicherern abrechnen. Allein mit der Aufnahme der Schlankmacherspritze Wegovy in den Leistungskatalog sind Mehrkosten von bis zu 300 Millionen Franken zu erwarten.»

Flavia Wasserfallen, SP, Bern

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Flavia Wasserfallen
  • «Wenn ich nun angesichts dieses Kostenanstiegs und der errechneten Möglichkeiten, Kosteneinsparungen zu machen, höre, es sei jetzt der Moment, eine Pause einzulegen, die Stakeholder zu konsultieren - dann ist das für mich eine sehr problematische Aussage, und damit würden wir ein problematisches Zeichen an die Bevölkerung aussenden.» (...)
  • «Ich möchte ganz kurz sagen, weshalb ich überzeugt bin, dass mit dieser Vorlage gute Verbesserungen – gerade im Bereich der Medikamente – vorgeschlagen werden. Wir wissen, wir bezahlen in der Schweiz im Vergleich zum Ausland viel mehr. Für patentgeschützte Medikamente bezahlen wir durchschnittlich 5,4 Prozent mehr als im Ausland. Bei Originalpräparaten mit abgelaufenem Patent beträgt die Differenz 10,8 Prozent und bei Generika sogar über 45 Prozent. Wir bezahlen in der Schweiz also fast doppelt so viel für Generika wie im grenznahen Ausland und haben auch eine sehr tiefe Generikaquote, die gerade mal knapp bei einem Viertel liegt. In anderen Ländern liegt sie bei drei Vierteln.» (...)
  • «2022 kosteten die Medikamente, die über die OKP, die Grundversicherung, abgerechnet werden, erstmals neun Milliarden Franken, und dieser Bereich ist stark steigend, viel stärker als die anderen Bereiche. Er macht bereits knapp ein Viertel der OKP-Kosten aus.»

Hannes Germann, SVP, Schaffhausen

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Hannes Germann
  • «Es ist unglaublich viel gemacht worden. Es kommt mir vor wie auf einer Baustelle. Man kauft ein altes Haus; dann beginnt man mal an einer Ecke mit der Sanierung, und zwischendurch beginnt ein anderes Team an einer anderen Ecke mit Sanieren; schliesslich kommen die dritte und die vierte Ecke auch noch an die Reihe. Mit dem indirekten Gegenvorschlag hat das Haus sogar zu wenig Ecken, wo man beginnen könnte. Das ist an Unübersichtlichkeit nicht mehr zu übertreffen. Wir haben gar keine Zeit, die Massnahmen einzeln gegeneinander abzuwägen. Wir nehmen dann einfach jeweils Ende Jahr frustriert zur Kenntnis, dass die Prämien wieder steigen.»

Pirmin Bischof, Mitte, Solothurn

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Pirmin Bischof
  • «Wir wissen seit Jahren, dass das existierende Ärztetarifmodell untauglich geworden ist. Wir wissen also, dass das Modell, mit dem wir jeden Tag leben, untauglich, schädlich und ungerecht ist. Dass dem so ist, ist hier nicht einmal umstritten. Wenn wir keine Alternativen hätten, könnte man sagen, dass man welche suchen muss. Aber wir haben ja Alternativen. Sie liegen auf dem Tisch, sie sind fertig, aber wir können sie einfach nicht in Kraft setzen. Das ist doch unglaublich.»
  • «Hier appelliere ich schon sehr an den Bundesrat. Man mag sich ja, wenn man will, zwischen zwei grossen Krankenversicherungsverbänden über irgendwelche Details in dieser Frage streiten. Aber wenn wir uns bewusst sind, dass das bestehende Modell untauglich ist, dann ist es angebracht, dass man schnell ein neues Modell einführt. Ich appelliere an den Bundesrat, das Tardoc-Modell jetzt umzusetzen.» (...)
  • «Lassen Sie mal den lächerlichen Streit beiseite, ob und in welchem Umfang dieses und jenes reingehört und wie viele Pauschalen reingehören. Setzen Sie das Tardoc-Modell um, das wesentlich besser ist als das bisherige und das sofort umsetzbar ist. Dann können wir uns hier drin wieder darüber streiten, inwieweit man noch Pauschalen aufnehmen will oder nicht.»

Pierre-Yves Maillard, Waadt

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Pierre-Yves Maillard
  • «Wenn im Gesundheitsbereich von 'Stakeholdern' die Rede ist, so ist die Lobby gemeint. Die Lobbys sind es, die ihre Interessen verteidigen. Und Lobbys, die Interessen verteidigen, haben oft kaum Möglichkeiten, Massnahmen vorzuschlagen, die ihren wirtschaftlichen Interessen schaden. Deshalb halte ich es für illusorisch zu hoffen, dass die 'Stakeholder' Lösungen zur Kostenkontrolle finden.»
  • «Die einzigen Personen, die zur Kostenkontrolle tätig werden können, sind in diesem Saal, im Nationalratssaal und im Bundesrat. Hieraus ergeben sich wirksame Massnahmen zur Kostenkontrolle. Hören wir auf zu glauben, dass wir die Lösung finden werden, wenn wir den Schwarzen Peter an diejenigen weitergeben, die von überhöhten Kosten profitieren.»
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