Helsana hat in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) auf Anfang Jahr 84'000 Kundinnen und Kunden verloren. Zwölf Monate zuvor konnte sich der grösste Krankenversicherer der Schweiz noch eines Zuwachses von 54'000 Personen erfreuen. Was ist passiert? «Dieser Jojo-Effekt ist schlecht für Helsana und schlecht für die Branche», sagte CEO Roman Sonderegger am Mediengespräch von Donnerstag.
Der Grund liegt in den enormen Prämienunterschieden der Kassen, die für das angelaufene Jahr entgegen einem langfristigen Trend wieder stark zugenommen haben. Denn in den zurückliegenden Jahren sind die Prämienunterschiede dank einem stetig verfeinerten Risikoausgleich zurückgegangen. Dieser Risikoausgleich ist auf 2023 nochmals verfeinert worden, was erst recht zu einer Nivellierung der Prämien hätte führen sollen. Doch das Gegenteil ist passiert. Wie das?
Gute und schlechte Risiken
Der Risikoausgleich ist ein Ausgleichsmechanismus. Krankenversicherer mit einer guten Risikostruktur müssen den Mitbewerbern mit einer schlechten Risikostruktur Ausgleichszahlungen leisten. Früher wurden schlechte und gute Risiken allein aufgrund des Alters und des Geschlechts erfasst. Anfang 2012 kam als drittes Kriterium der Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim mit mindestens drei aufeinanderfolgenden Nächten hinzu.
Auch das war nicht genug. Diskutiert wurde in der Folge, auch einen Morbiditätsfaktor zu berücksichtigen. Davon sah man schliesslich ab. Stattdessen gilt seit diesem Jahr als neues Kriterium pharmazeutische Kostengruppen aufgrund des Arzneimittelbezugs im Vorjahr, kurz PCG.
All diese Kriterien muss ein Krankenversicherer bei der Prämienkalkulation berücksichtigen. Haben alle das auch wirklich korrekt gemacht? Wahrscheinlich nicht, mutmasst Roman Sonderegger. Sonst gäbe es diese hohen Prämienunterschiede nicht.
Delikate Kalkulation
Auf der anderen Seite ist die Prämienkalkulation unter Berücksichtigung des Risikoausgleichs äusserst delikat. Als Basis nimmt man den Versichertenbestand der Vorjahre. Dann kam Corona, was herkömmliche Muster ausser Kraft setzte. Und wie CFO Ronny Bächtold am Mediengespräch ausführte, müsste auch das Bestandeswachstum berücksichtigt werden.
Bekanntlich ist die ehemalige Beamtenkasse KPT mit sehr tiefen Prämien aufgefallen, was ihr einen Zuwachs von rund 180'000 Versicherten bescherte, plus 50 Prozent. Das wird ihr höchstwahrscheinlich Probleme bereiten – und vor allem sehr viel kosten. Das Wachstum des Bestandes dürfte sie in ihrer Kalkulation kaum berücksichtigt haben.
Häufig sind es junge und gesunde Personen, gute Risiken, die zu einer günstigen Kasse wechseln. Gute Risiken heisst aber auch hohe Kosten für den Risikoausgleich. Nun muss man wissen, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als Aufsichtsbehörde die Prämien genehmigen muss. Warum genehmigte das BAG derart hohe Prämienunterschiede? Für Branchenbeobachter ist klar: An den Verwerfungen auf dem Markt der obligatorischen Grundversicherung ist das BAG nicht unschuldig.
Zwei Geschichten am Pressetermin
Der Krankenversicherer Helsana erzählte am Mediengespräch vom Donnerstagvormittag zwei Geschichten: eine positive und weniger positive. Positiv ist 2022 das Geschäft mit den Zusatzversicherungen laut Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verlaufen. Der Gewinn von 99 Millionen Franken ist zwar deutlich tiefer als die 253 Millionen Franken im Jahr zuvor. Aber Gewinn ist Gewinn. Der Rückgang ist zum grössten Teil auf die Verwerfungen an den Finanzmärkten zu erklären.
Weniger rosig präsentiert sich der Abschluss der Grundversicherung laut KVG. Auch hier schlug das Ergebnis aus Kapitalanlagen negativ zu Buche. Gravierender ist jedoch das Minus beim versicherungstechnischen Ergebnis. Das äussert sich unter anderem in der hohen Combined Ratio von 106,6 Prozent. Im wesentlichen ist das mit dem Leistungskostenanstieg zu erklären. Er ist höher ausgefallen als prognostiziert. Grund dafür waren starke Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie sowie laufend teurere Medikamente. Insgesamt resultiert im KVG-Bereich ein Verlust von 507 MillionenFranken.