Herr Hässig, wann wird sich die Lage der Pflege verbessern?
Die Politik und die Bevölkerung ist auf den Pflegenotstand sensibilisiert worden. Es laufen bereits viele konkrete Massnahmen. Sei dies politisch, dank der Pflegeinitiative, oder auch bereits «on the job» in den verschiedenen Institutionen. Es braucht Geduld und Hartnäckigkeit. Ich habe sie. Wir müssen dranbleiben. Wenn wir nachlassen, haben wir verloren.
Das klingt kämpferisch. Was aber braucht es jetzt konkret, um Pflegepersonal im Job zu halten?
Wir müssen die internen Arbeitsprozesse schlanker halten. Weniger Bürokratie! Hier kann jede einzelne Institution bereits heute ansetzen. Wir sollten die Nachtschicht- und Wochenendzuschläge stark erhöhen. Das Vorantreiben von mehr ambulanten Eingriffen muss im Fokus stehen. Weniger stationär bedeutet, dass wir weniger 24-Stunden-Betriebe aufrechterhalten müssen. Das hilft insofern, dass wir das vorhandene Personal in zwei Schichten und nicht mehr in einem Drei-Schicht-Betrieb beschäftigen müssen.
«Ich bin überzeugt, dass wir bei der Planung unserer Spitäler neu auch eine Bundeskompetenz brauchen.» — Patrick Hässig.
Und ganz wichtig: Es gilt die Ausbildnerinnen und Ausbildner in den Institutionen zu schützen. Sie sind primär da, um unseren Nachwuchs auszubilden. Die Ausbildung muss Spass machen. Wir sollten während der 3-jährigen FaGe-Lehre oder dem HF-Studium zur Dipl. Pflegefachperson Freude und Lust am Job bekommen. Das erreichen wir mit zufriedenen Ausbildnerinnen und Ausbildner, welche sich um die Lernenden kümmern können und Zeit für sie haben.
«Im Notfall soll der Bund Spitäler schliessen dürfen» - mit dieser Aussage schlugen Sie im Juni hohe Wellen...
Ich bin überzeugt, dass wir bei der Planung unserer Spitäler neu auch eine Bundeskompetenz brauchen. Zur Entlastung der Kantone, zur Qualitätssteigerung der medizinischen Angebote für die Patientinnen und Patienten und als Instrument gegen den Personalmangel.
Vom Radiomoderator zum Pflegefachmann: Gab es ein bestimmtes Erlebnis oder eine Person, die Ihre Entscheidung beeinflusst hat?
Ganz klar mein Zivildienst-Einsatz. Nach meiner Zeit in der Armee durfte ich meine restlichen Diensttage als Zivildienstleistender absolvieren. Im Stadtspital Zürich arbeitete ich auf der Transport- und Bettenzentrale. Da habe ich die spannende, wertvolle und menschennahe Arbeit der Pflege kennengelernt. Nach reiflichster Überlegung habe ich mich dann entschieden, mit 38 Jahren und nach 18 Jahren als Radiomoderator noch eine neue, 3-jährige Ausbildung in Angriff zu nehmen. Nun arbeite ich seit 7 Jahren im Stadtspital Zürich.
Wo sehen Sie sich und Ihre politischen Projekte in fünf Jahren?
Ich möchte mich weiterhin um die Anliegen der Menschen in den Gesundheitsinstitutionen kümmern. Eine zügige und klare Umsetzung der Pflegeinitiative, wie sie vom Volk gewünscht wurde, muss realisiert werden. Auch sollten wir ein Auge auf die Arbeitszeiten der Assistenz-Ärzteschaft werfen; die heutige 50-Stunden-Woche schwächt die Attraktivität des Arztberufes. Abgesehen von der Gesundheitspolitik liegt es mir am Herzen, sachbezogene Lösungen anzustreben und wegzukommen von der schwarz/weiss Politik. Der pragmatische Mittelweg ist und war schon immer, der gut schweizerische Kompromiss.
Der 45-jährige Patrick Hässig war ursprünglich gelernter Versicherungskaufmann, bevor er eine Karriere als Radiomoderator einschlug. 18 Jahre lang gehörte er zu den Radioteams von Energy, Radio 24 und SRF 3.
Mit 38 Jahren dann der Wechsel in den Pflegeberuf: Patrick Hässig absolvierte ein dreijähriges Studium zum Dipl. Pflegefachmann HF und war im Anschluss zwei Jahre lang auf der Inneren Medizin im Stadtspital Zürich Waid tätig. Seit März 2023 arbeitet er in einem Teilzeit-Pensum auf dem Kindernotfall im Stadtspital Zürich Triemli.
Seit November 2023 nimmt GLP-Poltiker Hässig für den Kanton Zürich im Nationalrat Einsitz. Seit April 2024 ist er zudem im Vorstand des Spitex Verbands Kanton Zürich.
Er ist Gewinner des Viktor 2023 in der Kategorie «Beliebtester Gesundheitspolitiker».